Man mag sich gewundert haben, warum hier partout nichts mehr geschrieben wird, obwohl ich mich wieder einmal ostwärts bewegt habe. Ich habe, geschickt oder nicht, einen separaten Blog für mein Georgien-Praktikum eingerichtet. www.sakartvelo-experiences.blogspot.com ist nun also das Pendant zu diesem hier. Allerdings werde ich ab nun auch hier abundzu etwas schreiben, wenn auch eher unregelmässig.
November 14, 2007
November 12, 2007
October 2, 2007
Eine Orientexpress-Phantasie
Nachdem ich den Proviant für die sechsstündige Orientexpresstour besorgt hatte, fand ich den Zug . Glanz und Gloria dieser Strecke hat sich ausgefahren. Nur noch zwei Wagons hingen an der Lok. Die Fahrt war langsam und wurde oft unterbrochen. Der türkische Schaffner war schweigsam aber vergnügt, kaute Sonnenblumenkerne als wäre es eine Lebensbedingung, wie das Atmen. Eine Alternative zum Zigarettenrauch. Hie und da brachte er mir einen Bund Trauben aus seinem Proviantabteil. Wir fuhren durch die Ebene, als sich plötzlich im flimmernden Licht ein bunter Vogel abzeichnete. Er schwebte geradezu über dieser landschaflichen Einöde. Es war ein Gleitschirm, der mit ich wüsste nicht welchem Wind es in der topfebenen Landschaft in den rumänischen Himmel geschafft hat. Ein paar relativ betrunkene Tschechen fanden sich dann auch noch im Korridor ein, als sie aus ihren Abteilen raustorkelten. Die waren in alkoholisierter Schlummerfahrt unterwegs nach Burgas in Bulgarien, in Aussicht auf Strand, laute Musik und leuchtstofffarbenen Bikinis. Etwas widerwillig sass das Swiss Girl dann plötzlich zu zweit im Abteil und bestritt die etwas leidige Konversation. In Veliko Tarnovo stieg ich am späten Abend aus und fand mich an einem abgelegenen Bahnhofshäuschen vor. Da es am Bahnhof überhaupt nicht nach Verkehrsmitteln aussah, fragte ich hängte ich mich einer organsierteren Reisenden an, die gerade abgeholt wurde. Ich übernachtete die folgenden Tage am selben Ort, in einem kleinen Gasthaus, welches unter dem Stadthügel in der Nähe des Flusses lag. Man traf so einige Backpacker, eine merkwürdige coole Gesellschaft, der man aber bestens ausweichen konnte. Es hatte nicht sehr viele Leute und war daher für meine vielleicht asozial wirkende Befindlichkeit ganz gemütlich. Die Stadt ist klein und touristisch, etwas billig-touristisch abundzu. Auf der Hauptstrasse gibt es jenste Cafés, die Pizza und Riesensalate zu Schleuderpreisen anbieten. Das macht den Leuten jeweils am meisten Eindruck. Kaffee gab es überall sehr guten. Ich profitierte insofern, als dass ich mir einen günstigen Haarschnitt verpassen liess. Haareschneiden im Ausland ist immer wieder spannend. Ich fand die Coiffeusen in ihren weissen Kitteln drollig, es wirkte auf mich so, als handle es sich um ein Forschungslabor, wo Haarproben genommen werden. Natürlich lagen ganz viele Klatschmagazine und bunte Haarsprays und Plastikspangen herum. An einem Abend ging ich etwas in die Unterstadt, wo ich anscheinend was „einheimischeres“ suchte und in einem ganz merkwürdigen Männerlokal eine eher peinliche Ausnahme war. Einige Sachen auf der Karte waren mir sehr gut verständlich, doch bei den Suppen wählte ich blöderweise die erste auf der Liste, nicht wissend, was Beschmek Tschorba bedeutet. Der Wt war nicht eben freundlich und wirkte buchstäblich angepisst durch meinen Besuch. Damit hätte ich leben können, doch das Menü war der wackere Todesstoss. Ich gelobe mir heute, niemals wieder diesen doofen Enthusiasmus “Ich mache es ganz anders” und “Ich bin halt mutig und frage auch nicht, was ich kriege” an den Tag zu legen. Denn nie wieder möchte ich eine beige Kuttelsuppe mit orangen Fettaugen aufgetischt bekommen. Drei Löffel konnte ich von dieser trüben Brühe anstandshalber probieren, und gab auf. Selbst dieser Anstand war eigentlich völlig überflüssig. Was ist denn Anstand im Balkan? Da kann die “aaschtändigi Schwizeri” nicht mithalten. Ich tippte auf Ziege, es böckelte und fühlte sich haarig an. Etwas Zweites hatte ich klugerweise aber bestellt: Ein gebranntes Ei mit Tomate im Tontöpfchen und mittendrin lag sorgfältig angerichtet ein Haar. Ich rettete mich zur Flasche Cola. Der Wirt schaute mich vorwurfsvoll an. Ich wurde meinen blöden Anstand nicht los und zahlte kommentarlos das verschmähte Essen. Das war auch billig, es war alles so billig, dass ich mich nicht einmal über das verschwendete Geld beklagte. Deshalb war der Wirt vielleicht ja sauer. Aber das ist ja auch Wurscht. Tagsüber wanderte ich durch die Gegend. Am einen Tag mit einem schneeblonden Amerikaner. Wir zogen zu Fuss zu einem Kloster,und gingen auf einer Autostrasse auf dem Pannenstreifen. Das war, wie wir erfuhren, auch nicht abwegig. Den Rest nahm uns noch ein Pärchen im Auto mit. Das Kirchlein zeugte v.a. vom jüngsten Gericht, war voller roter Teufel und gigantischer Wolkenmonster. Das Ganze wurde bewacht von einem nicht weniger an den jüngsten Tag gemahnenden, alten Mönchlein, das so alt war, dass es gar nichts mehr sagen konnte und einen nur beunruhigend starr anschaute. Wir drückten dem Höllenpförtner eine dicke Euromünze in die schwache Hand. Der Blick schien darauf milder zu werden. Den Heimweg haben wir über den Hügel durch das grüne Unbekannte gewagt, da wir sicher waren, dass man so auch irgendwie zurückkommt. Die Abwegigkeit ist schöner als die Hauptstrasse. Wir fragten jeweils ein paar Jungs oder schweigsame Ziegenhirten, die lediglich in die Ferne schauten und prophetisch die Hand hoben. Es war sehr heiss, ich hatte den Sommer schon fast vergessen gehabt, und hier in Bulgarien tauchte er in ganzer Wucht noch einmal auf.Nach etwa zwei-drei Stunden waren wir zurück. Es war eine ganze Wanderung geworden. Der engelsweisse Amerikaner trug einen infernalen Sonnenbrand davon.
Rückblick auf Wien aus dem Nachtzug
Ich habe noch ein paar müde Notizen, die ich im Nachtzug nach Rumänien geschrieben habe:
Soeben in den Zug nach Bukarest eingestiegen, stell ich fest, dass ich nun ja wirklich in Wien gewesen bin. So lange daran gedacht und – vorbei, gesehen, geschehen.
Wien eine kaiserliche Perle, ein einziger Ballsaal, eine Naschstadt zugleich. Auf dem Markt, im Café (a Stückerl Sacher zum kleinen Braunen), im Geschäft (Mozartkugeln) – überall wird anscheinend was genascht. Selbst aus Mülleimern wurde fleissig genascht, und einmal wurde dabei vor dem Stephansdom ein angelutschtes Erdbeereis herausgefischt. Die Würstelbuden bieten Bosnawurst und Hühnerkebap. Über seit lang heruntergezogenen Storen ein altes Ladenschild mit goldenen Lettern „Stambulija“. Am bläulichen Septemberhimmel hingen wollige Wölkchen über dem eierschalenfarbenen Hinterhof. Abgesehen von mir sehen das noch die Tauben auf dem Kiesdach des Nachbarhauses.
Im braunbezogenen Sechserabteil, das ich mit drei Rumänen teile, höre ich seit zwei Stunden Unisono ununterbrochen Rumänisch, wenn das bis morgen so weiter geht, bin ich wohl um 13h40 des Rumänischen mächtig. Italienisch, Russisch, Französisch scheinen ineinander zu verwachsen, und ich versuche jeweils einen Faden dieses Knäuels aufzunehmen. Die Spur verliert sich jedoch immer wieder, und es bleibt bei einzelnen verständlichen Brocken. Es steht „Vagon climatizat“, und es wird tatsächlich etwas kühl. Der schwerleibige Mann in unserem Abteil spricht viel zu viel, ich versteh meine eigenen Gedanken bald nicht mehr. Teilweise springen einzelne Wörter hervor wie „mafia“, „bandit“, krankenschwester, „televizör“, „polizischt“. Ich versuche den Kaukasischen Kreidekreis zu lesen.
Die Fahrt dauerte 16 Stunden, eingentlich eine teure Tortur in einem rumänischen Sitzabteil. So gesehen völlig absurd per Zug zu reisen und die günstige Variante zu wählen. Um zwei Uhr nachts war ich die einzige Person im Abteil und konnte mich somit über meinen Rucksack quer über die Sitze legen. Um neun Uhr morgens erwachte ich in Transsylvanien. Ich trat auf den Korridor hinaus und befand mich am Ende des Zuges und sah auf die vielen kleinen Tunnels durch die wir fuhren. Auf den Feldern waren Schafherden und Hirten, die im Gras lagen und Halme kauten. Wir fuhren an mehreren Pferdefuhrwerken vorbei, und die Bauern schnitten das hohe Gras mit Sensen.
Ich wäre sehr gerne ausgestiegen, doch ich war „unterwegs“. In Bukarest wurde ich von Adrian und seinem Vater abgeholt, bei denen ich in der Familie wohnen konnte. Das war ein äusserst nettes Erlebnis, und die liebe Mama wird mir in Erinnerung bleiben.
Bukarest hat ein kleines Zentrum, das entweder im totalen Verfall oder in totaler Renovierung ist. Die Strassen sind alt und staubig, die vielen langen Risse in den alten schmucken Häusern zeugen von Brüchigkeit und Verschwinden einer zu erahnenden Epoche.
Hunde streunen durch die Strassen, alle mager und ziemlich aggressiv. In Hauseingängen schlafen alte Frauen manchmal. Ich sitze am liebsten in der Pasaj ….., wo man sich in einem überdachten Rondell befindet. Der Aufenthalt besteht auch aus viel Spazieren, Leute beobachten und deren Gespräche zu verfolgen, abends was trinken gehen und Narghila (Wasserpfeife) rauchen.
Adrian und seine Freundin begleiteten mich zum Bahnhof, wo ich den Zug nach Istanbul suchte. Zuerst kaufte ich mir für die Reise noch zwei Brötchen an einem offenen Bäckereistand, wo ich Zeugin eines Brötchendiebstahls wurde. Ich stand etwas hinter einem Typ mit verschlagenem Gesichtsausdruck. Während des Wartens hob er ganz langsam, die Bewegung dauerte ewig, seine Hand zum Brötchentablett und krallte blitzschnell ein kleines goldiges Süssbrot. Da es ihm in der Eile aus der Hand fiel, schubste er es mit dem Fuss unter den Ladentisch und begann erneut ganz langsam die Hand auszustrecken. Es sah unheimlich aus. Dabei ging es nur um ein Brötchen. Dennoch hatte man das Gefühl, als ob eine Hand sich um das eigene Herz schlingt. Eine Frau neben mir sah ebenfalls zu, doch sie hätte ebenso wenig gewagt etwas zu sagen. Ich dachte mir, es ist ja nur ein kleines, nicht mal sehr gutes Brötchen für kaum einen Franken. Umso tragischer und einschneidender schien mir das Erlebnis kurz nach meiner Ankunft, als ein altes Ehepaar beim Imbissstand sein Geld vermisste. Die alte Frau, man sah sie kaum in ihren grossen Kleidern und eingehüllt in ihr Kopftuch, schrie grausam laut, riss das Kopftuch weg und raufte sich die Haare. Sie beschuldigte ein paar junge dunkle Männer, die dort mit vielen Säcken sassen und locker zurückgelehnt keine Miene verzogen. Ihr Mann schaute sehr bekümmert und beschämt und versuchte ruhiger als das schimpfige Weiblein zu bleiben. Seine Arme hoben und senkten sich hilflos im dunkelbraunen Sakko. Alles was er tun konnte, war seine Frau zu beruhigen oder schlichtwegs zum Schweigen zu bringen. Das ist eine aus 1001 Millionen offenen Geschichten des Gara de Nord.
Rückblick aus Tbilisi
Am 10. September begann ich meine erste Reiseetappe nach Wien, wo ich zuvor noch nie gewesen war. Dadurch, dass ich dort ein paar wenige Leute kenne, kam es mir auch mehr wie ein kurzer Ausflug, eine Stadtreise vor. Dank dieser kleinen Selbsttäuschung stieg ich auch nicht wehmütig oder sogar traurig in den Zug, sondern fühlte mich bereit für eine kleine Exkursion. Vier Tage verbrachte ich in Wien, wo ich bei einer Kollegin unterkommen konnte, die selber gerade nicht zuhause war. Es war kühles aber klares sonniges Wetter, und ich gewöhnte meine Beine an lange Stadtspaziergänge, die relativ planlos im Zickzack jeweils im Museumsquartier oder in einem Kaffee oder in einem Park endeten, von wo ich dann schliesslich müde das Tram nach Hause nahm. Wien war sozusagen das Portal zum Osten. Tschechische und ungarische Lastwagenunternehmen schickten ihre Kleinlaster durch ,die stark befahrene Innenstadt während ich auf das grüne Männchen der altmodischen Verkehrsampeln wartete.
Eigenartigerweise ist meine Erinnerung an Wien relativ unscharf. Sehr stark in Erinnerung ist mir der Secessionstil vieler Häuser und das schöne hohe Treppenhaus mit dem Mosaikboden, wo ich gewohnt hab.
April 20, 2007
soldatenration zum frühstück
nein, nein… ich möchte das essen nicht schlecht machen 🙂 . letzteres war ein zwar ein zml typisch russisches mahl…lustigerweise aber von meiner französischen zimmergenossin. und auch dies hier ist etwas typisches: soldatenfood, mitgebracht an einen brunch bei uns im studentenheim. kolleginnen, die aus moskau angereist waren bekamen ein solches kulinarisches päckchen von soldaten. dazu gibt es noch eine genau geführte liste, die auskunft gibt über den inhalt der wundertüte und dessen kaloriengehalt und wie und wann man was isst. man kann aber selbstverständlich auch anders essen. zu diesem frühlingsbrunch jedenfalls hat jeder was mitgebracht, so dass die soldatenbox zum glück nicht verordnete kost war. bon appetit!
March 17, 2007
es ruft schon wieder
tatsächlich… es ging schnell. im herbst geht es wieder los in den osten. diesmal in den südkaukasus, nach georgien. ich werde dort an einem social integration project mitarbeiten können während drei oder vier monaten. die schulung nimmt zwei wochen in anspruch, wovon die erste in chvojnica in der slovakei stattfindet. vielleicht kann ich endlich mal mein verstaubtes tschechisch etwas hervorholen, wenn sich s denn ergibt. über das projekt werde ich bald mehr schreiben. noch ist alles sehr neu und ungewiss, aber bald werde ich mehr davon festhalten. spätestens ab folgendem september.jetzt durchstöber ich die bibliotheken nach material zu georgien und versuche schon ideen zu sammeln. gerne erinnere ich mich an das georgische essen gerade… welches mir in russland sozusagen das südländische essen war und an den wein (vor embargo) .
February 6, 2007
andenken an sascha am ladogasee
letzte woche schaute ich mir wieder einmal die fotos vom sommer durch und blieb an diesen hängen. es war ein warmer tag im juli. ich fuhr mit einem kleinen bus aus der grossstadt raus und fuhr nach Poselok imeni Morozova. es war kein besonderer tag, einfach einer, an dem man an den see sitzt und ein bisschen hinausschaut. david kam zwei stunden später nach. zum mittagessen trank er vodka mit sascha. danach, na was wohl? spazierten wir an den see, der uns wie ein meer empfing. an ein boot zu kommen war leider zu schwierig, da die alten männer in den uferhüttchen so betrunken waren, dass sie sich sowieso keines eigenen bootes mehr entsinnen konnten. so schauten wir auf die festung Oreschek hinüber. sascha hatte die vodkaflasche mitgenommen in seiner tasche. er war den ganzen nachmittag dabei, sascha, ein schulfreund von pascha. traurig ist das nun zu sagen, dass er seit wenigen tagen nicht mehr ist. wie ist das denn, wenn man einen menschen nur ein einziges mal in seinem leben gesehen hat? kenn ich ihn nicht, und geht es mich nichts an? nein, ich finde das geht so nicht ganz. jeder tag meines leben geht mich etwas an. ich habe nur diesen einen julitag, den ich aber sehr gut in erinnerung habe. wir liefen durch warmen sand richtung see. mascha sprang lebhaft herum, natascha war mit ihren neuen schuhen beschäftigt, die ihrer meinung doch plötzlich zu klein waren: “der grosse zeh guckt vorne so stark raus!” pascha sprang mascha hinterher, david machte ein gutes foto von mascha. sascha und ich suchten ein boot, um zur festung rüber zu gelangen. wie könnte ich sagen, ich kannte ihn nicht. ich kenne diesen tag, das ist ein andenken und gedanken wert, an jemanden, der durch ein unglück natürlich viel zu früh ging.