February 3, 2007

zuhause in bern

Filed under: Von Petersburg nach Turkestan — sarah @ 1:21 am

vorläufig bin ich nun zuhause in bern. solange der ruf noch nicht wieder in eine andere ecke der welt ruft, bleibe ich auch gerne hier. in dieser stadt gefallen mir die hohen brücken. die kornhausbrücke macht mir am meisten eindruck. dahinter erheben sich oft in kitschig filmischem abendlicht die berge. wobei die brücke zum bärengraben und dem tramdepot rüber irgendwie auch klasse ist. das münster mit seinen ungeheuern finde ich auch immer wieder einen besuch wert. der gorilla, der vom turm hinunter auf die stadt schaut gefällt mir ziemlich gut. nun ja, eigentlich habe ich noch viel zu wenig hier gesehen, da ich etwas absorbiert war dieses semester. ich freu mich unwahrscheinlich auf den frühling, zähle schon die blüten meiner zimmerpflanze. momentan bin ich dran eine stelle zu finden, schreib hausarbeiten in der unibibliothek, besuche mal für ne woche eine freundin in ostdeutschland, lese paar bücher, die ich schon lange lesen wollte und helfe joghurt verteilen am zürcher bellevue um kurzfristig mein portemonnaie aufzufrischen. nichts spannendes oder was anders wäre als bei vielen anderen studenten 🙂 doch noch ist semesterende, prüfungen, und vor mir türmt sich ein stapel blätter einer vorlesung mit dem veranstaltungstitel: die slaven. da ackere ich mich jenachdem lustvoll (-los) bis mittwoch durch. ich hätte von  gern etwas mehr zu erzählen, aber ich denk, da muss ich noch auf die semesterferien warten.

February 2, 2007

Besucht Abdul Qayum (Spanish Translator) !

Filed under: Von Petersburg nach Turkestan — sarah @ 1:01 am

…und ihr werdet in ihm einen Freund finden. Vielleicht verkauft er euch zuerst irgendein Pakistani Handicraft, danach beschenkt er euch dafür aber reichlich. Qayum ist ein  Tanzbär, ein gemütlicher Altachtundsechziger, der seine Abende rauchend im Schneidersitz vor einem Öfelchen (Vorsicht trotzdem! Kerosin!) verbringen kann, umspielt von Musik seines jungen Gehilfen und seinen kleinen Töchtern. Er hat ein Flair für Spanisch, Kochen, Garten und vor allem für Menschen. Neun Jahre liess er an uns per Photoalbum als révue passieren: Neun Jahre Spanien, ein paar Jahre wie ein fast bürgerlicher Geschäftsmann, die anderen Jahren als Hippie auf den Strassen Barcelonas, Madrids, Ibizas… Sein Handwerk Schmuck herzustellen hat er in Spanien von einem Japaner gelernt.Mit seiner damaligen Freundin musste er ein paar Male fluchtartig seinen Stand forttragen, wenn eine Polizeikontrolle kam. Er erinnert und erinnert sich und meint in eurem Gesicht immer noch ihm bekannte Gesichter zu erkennen. Ein Jahr zog er in Pakistan, nach seiner Rückkehr, von Shrine zu Shrine und führte ein Bettel-, Pilgerleben. Ihr werdet seine Schlichtheit und seinen Reichtum an Geschichten und Beobachtungen gern haben. Er wird sich freuen, wenn er spanisch hört, bzw. sieht. Er sieht Spanischsprechende von schon von fern :). So betreibt er seinen kleinen schummrigen Laden XAMA STORES. Die Buchstaben der Ladentafel werdet ihr kaum lesen können und den Laden glatt übersehen, doch wenn euch jemand nachrennen sollte: “Oye, habla usted español?” müsst ihr euch unbedingt wenigstens einmal umdrehen, um zu sehen, ob das nicht ein Mann mit weissem Bart ist, der weit ausschreitend euch nachläuft. Also: vom Flughafen aus befindet sich der Store in der Einfahrt in den Ort, auf der rechten Seite: Near Park Hotel, Airport Road, Gilgit, Pakistan. Tel.: Shop: +02581154271, Guesthouse:+92581155222    Wir hatten Glück mit ihm an eine schiitische Hochzeit fahren zu können, im Tal hinten. Das war grossartig. Qayum und David tanzten am Fest mit den Männern im Dorf zusammen zur Musik der Trommel und Trompete. Aus Spass fuhren wir mit einem kleinen Floss über den kalten Indus, um in das klitzekleine Dörfchen zu gelangen. Auf dem Nachhauseweg hörten wir in Qayums Jeep Kawwali: Nusrat Fateh Ali Khan. Diese Musik bleibt. Graçias Qayum por esa musica y por el tiempo que teniamos en tu casa!  Espero que vayas bien y que este articulo tenga algun efecto 😉

January 26, 2007

Ein christliches Lahore – als wäre man im Rom Kaiser Neros

Filed under: Von Petersburg nach Turkestan — sarah @ 1:49 am

Wir spazierten durch die Altstadt in Lahore, als uns plötzlich jemand einholte. Asif. Er wollte uns unbedingt zum Caj einladen. David winkte am Anfang etwas ab. Man könnte den ganzen Tag irgendwo mit verschiedensten Leuten in Teestuben sitzen und da und dort eingeladen werden. Asif bestand aber so sehr darauf und wollte uns unbedingt kennenlernen, dass wir auch langsam wissen wollten, wer er denn ist :). Er erzählte, dass sein Bruder für die Académie française arbeite, für die er Gästen etc. die Stadt und Umgebung zeige. Wir redeten eine ganze Weile, und wunderten uns, dass sein Vater und Bruder biblische Namen trugen. Wir tranken Tee und packten noch ein Stück Schweizer Käse aus, den ich vor der Abreise noch schnell in der Migros gekauft hatte. Sie seien Christen, sagte er. Eher eine Seltenheit in Pakistan (5%) und natürlich aber auch nicht anzusehen. Was wir denn am nächsten Abend vorhätten, wollte er wissen. Er würde uns so gerne zu sich nach Hause einladen und die Familie zeigen und den Bruder vorstellen. Wir sagten zu für den nächsten Abend.

Wir trafen uns vor dem grossen Tor bei der Badshahi Moschee. Asifs Bruder war auch dabei. Dann ging der Gang durch die labyrinthische Altstadt los. Die Strassen wurden kleiner, kleiner, kleiner, bis man teilweise nicht sicher war, ob man sich überhaupt noch draussen befindet und nicht bereits in einem Innengang. Über die Gässchen hing viel Lametta und Glimmer, und das war wirklich sehr weihnachtlich. Wir überquerten einen kleinen Vorhof, wo in einer Nische ein altes Wandgemälde, das sehr alt sei, im Dunkeln knapp zu sehen war. Wir folgten den beiden flinken Brüdern, die ziemlich zügig vorangingen, wie durch Geheimgänge, ganz auf den Weg konzentriert, da es manchmal sehr dunkel war. Irgendwann standen wir vor einem sehr schmalen hohen Haus. Auf jeder Etage begegneten wir jemandem, auf der ersten der Schwester und den Kindern, wo wir ein Weilchen blieben. Wir hatten für die Kinder Schokolade mitgebracht. Auf der zweiten trafen wir die Mutter und einen Jungen, den die Familie bei sich aufgenommen hat und ihnen im Haushalt hilft, auf dem dritten Stock zwei weitere lustige Schwestern, die mich richtig zuplauderten und mir ein paar ihrer vielen Bangles schenkten. Dabei sind meine Hände eigentlich zu gross, aber die mussten einfach an mein Handgelenk, so biss ich mir auf die Zähne und trage sie immer noch, weil ich sie gar nicht mehr wegkriege. Bevor sie rosten, werde ich sie irgendwie aufschneiden :). Es war sehr vergnüglich. An den Wänden hängen jeweil Hochzeitsfotos, ein bisschen wie bei uns, Frauen im weissen Kleid. Am Schluss kamen wir auf die Terrasse, wo wir einen Freund der beiden Brüder noch trafen, der auch Nachbar war und schon zur Familie gehörte. Er war Moslem. Wir mussten ganz, ganz viel essen, und es war sehr gut. David erinnert sich vielleicht nicht trotzdem nicht so gern daran, ihm war ganz dummerweise übel an jenem Abend, und das viele Essen hat ihn am Ende etwas überfordert. Es war schon sehr kalt abends, aber bei den Füssen stand ein Kohlebecken, das vermochte zu wärmen. Es war ein schöner Abend auf dem Dach. An den Mond mag ich mich erinnern, da mir dort zum ersten Mal auffiel, dass der Halbmond in Pakistan auf dem Rücken liegen kann. Es wurde spät, und die drei Freunde setzten uns auf einer grösseren Strasse ab, und wir fuhren mit einer Rickshaw zurück zum ehemaligen Diakonissinnenkloster. An den Abend denke ich gerne zurück.

January 25, 2007

Ein Flug

Filed under: Von Petersburg nach Turkestan — sarah @ 11:51 pm

Mit PIA von Islamabad nach Gilgit zu fliegen war überraschungsreich. Der Flug wurde mit ziemlicher Verspätung ausgerufen, wir hofften immer noch, dass alles klappt, da die Reise nach Gilgit stets sehr wetterabhängig ist. Der Bus hielt an, und wir guckten etwas benommen. Vor uns stand ein grosser, dunkelgrüner träger Militärflieger der Pakistan Air Force. David guckte nach links und rechts, offensichtlich nach einem anderen Flieger Ausschau haltend. Mein Blick blieb an zwei Linien Gepäck hängen, das vor der Ladeklappe des Fliegers aufgereiht worden war. Unsere pellerinenverpackten Rucksäcke, grün und rot, waren dort zu sehen. Ich muss mich nun nicht als mutiger ausgeben als ich war, ich schluckte etwas tief. Dieser schwere Brummer sah alles andere aus, als für den Luftraum gebaut, irgendwie überessen. Unser Gepäck mussten wir uns herauspicken und auf die Ladeklappe laden, wo es schliesslich festgeschnürt wurde. Durch die Ladeklappe stiegen wir in den grossen Innenraum, wo man mit der ganzen Technik eines Flugzeuges konfrontiert wird. Fenster gab es keine, daher schaute man sich die ganzen Röhren an oder las vielleicht besser die Zeitung. Wir sassen längs aufgereiht und hingen in einem roten Netz. Es fing an laut zu brummen, und schliesslich vermochte der Gedanke, dass die Armee ja wohl was vom Fliegen verstehen müsse, doch noch ziemlich zu beruhigen. Die Frauen um mich herum schienen sich tatsächlich nicht sehr wohl zu fühlen. Eine schwangere Frau klammerte sich krampfhaft an den Arm ihres Mannes, eine andere betete während des ganzen Fluges. Kurz vor der Landung, erklärte sich die ganze Veranstaltung: gut zehn Meter vor einer kleinen Luke sahen wir eine Felswand vorübergleiten. Am Flughafen wartete die Armee ebenso feierlich als riesiges Empfangskomitee. Wohin man schaute an jenem kalten Morgen im pakistanischen Norden – Militär. Vor ein paar Jahren soll es dort in der Gegend einen Aufstand gegen die Regierung gegeben haben. Seither ist das Militär dort dauerstationiert. Man sieht auch Militär auf Nebenwegen, bei der Verkehrsregelung, was etwas lustig scheint, auf jeweils ganz unfrequentierten Strassen (1 Auto pro Minute).

January 21, 2007

Ich höre gerade Kawwali…

Filed under: Von Petersburg nach Turkestan — sarah @ 4:13 am

In Lahore gingen wir in einem grossen schönen Park spazieren. Unter Bäumen ein kleines buntes Häuschen mit einem steinernen Vorplatz, ein Shrine. Einige Musiker sitzen im Schneidersitz und spielen. Der Sänger hebt oft die Arme in die Luft und scheint etwas zu erklären. David und ich näherten uns dem Platz. Männer in Rollstühlen hörten ausserhalb des Shrines der Musik zu und begrüssten uns. Wir setzten uns auf den Platz und hörten auch zu. Die Leute schauten uns an und schienen grad Freude zu haben, dass wir gekommen waren und brachten uns tonnenweise Süssigkeiten (gulab jamun u.a.), die wir wiederum nachher teilweise verschenkten. Alle schenkten allen Süssigkeiten, Kinder sprangen rundherum. Die Musik mit den Trommeln und der kleinen Orgel versetzt einen rhythmisch halb in  Trance. An manchen Anlässen sollen die Männer auch stark rauchen und sich so tatsächlich in eine Trance versetzen. David hat mir eine CD geschenkt von Nusrat Fateh Ali Khan, dessen Musik uns auch noch oft begleitete.  Die Musik erinnert mich an die zahlreichen kleinen Shrines, wo allerdings oft auch einiges an “Schabernack” (mein Lieblingswort von David 🙂 ) betrieben wird, um eine ominöse Riesenfusstapfe eines heiligen Mannes in Granit zu sehen.Doch Schabernack hat auch seine Faszination, da wir doch alle Geheimnisse lieben. Ich höre jetzt jedenfalls diese Musik, und vielleicht ist es einfach jedem Menschen selber überlassen seinen eigenen kleinen Shrine in irgendeiner Form zu erhalten.

Drei Tage in einem Dorf nahe Dera Ghazi Khan

Filed under: Von Petersburg nach Turkestan — sarah @ 3:47 am

Der Suzuki brauste den steilen Strassengraben hinunter, die Scheinwerfer fielen auf eine staubige schmale Holperstrasse zwischen geschlossenen Vorhöfen. Wir stiegen aus und standen vor einer Häuserfront mit zwei Eingängen. Zeeshan wies mich an, das grosse Tor in den Hof zu benutzen, er ging links mit David durch eine kleine Tür rechts von mir. Es war schon spät, und ziemlich müde begriff ich erst gar nicht, was das denn sollte. Im Innenhof angelangt holte mich Zeeshan wieder ein, der aus dem separaten Raum herauskam. David blieb drin, ihm war das Übertreten der Schwelle in den Hof nicht gestattet. Der Anblick der Frauen in der Familie war ihm verwehrt, man musste ihn im Zimmer aufsuchen, wo er als Gast mit mir logierte. Zeeshan brachte mich zuerst zu seiner Schwester, deren Zimmer gegen den Hof meistens offen war. Ich lernte Muni kennen mit ihrem zweimonatealten Töchterchen Ifra, deren Augen bereits schwarz mit Surma umrandet waren. Sie sprach ein paar Brocken Englisch, was sie damals in Lahore aufgeschnappt hatte, als sie dort Arabisch studiert und noch mit Zeeshan gewohnt hatte. Sie ist Zeeshan wie aus dem Gesicht geschnitten und erinnerte mich an eine Frau aus vielleicht sehr altenZeichnungen, mit grossen dunklen Augen. Wir verstanden uns schnell sehr gut. Ich lernte weitere Frauen kennen, die Schwägerinnen. Die eine war eine zierliche hübsche Frau, die mir aus irgendeinem Grund sehr gefiel und ,vielleicht auch unbegründeterweise, leid tat. Mit ihr habe ich allerdings nie gesprochen, aber sie war häufig in den Frauenrunden auf dem grossen Bett dabei.Sie hat fünf kleine Kinder, die alle ihr Gesicht haben und mit ihrer Mutter in einem Bett schlafen.Der älteste Junge, ein ziemlich frecher, sollte mir die Hand geben, dabei schlug er mir ziemlich fest auf die Hand. Mädchen gebe er sicher nicht die Hand! Aha, gut aufgepasst. 🙂 Er war sehr frech und unberechenbar. Auf Zeeshan schien er allerdings sehr zu hören, der ihn manchmal äusserst barsch, dann wieder liebevoll ansprach. Mir waren die Schwesterchen lieber, vermutlich generell die Frauen, ich werde sagen warum. Die andere Schwägerin, Shaida, hatte Hemmungen mich zu sehen, sie hatte noch nie jemanden aus dem Ausland getroffen. Um ihre Scheu zu brechen, gingen wir zu ihrem Zimmer sie begrüssen. Kam mir eigenartig vor natürlich, dass sich eine junge Frau vor mir genieren kann. “Hello, it’s me, Sarah. You have a beautiful son!” Das stimmt, sie hat einen kleinen erstgeborenen Sohn, ein paar Monate alt, der ein Mündchen hat, als wäre es gezeichnet und Augen, die bereits bestechen. Ihr Mann war sehr stolz auf den Kleinen und trug ihn ständig mit.Dann lernte ich die Schwiegermutter kennen. Ich halte sie für eine strenge Frau, doch ich gewann sie doch lieb für diese paar Tage. Als David weg war mit Zeeshan, sassen wir in unserem Zimmerchen auf dem Bett, und ich zeigte ihnen meine Sachen: was ich sonst so trug, mein Necessaire sogar stiess auf Interesse. Wir sprachen oft mit Gesten und einzelnen Wörtern. Dennoch besprachen wir nebst vielen praktischen Interessen ziemlich brisante Themen. Nach einigem Gelächter und Beraten, stiess Muni die Frage hervor: “But how is you and David married and no baby?”(wir erklärten uns die meiste zeit als verheiratetes paar) Alle guckten mich erwartungsvoll an, wie ich wohl reagieren würde, ob die Frage nicht zu intim sei. Natürlich musste ich lachen, weil es so herzig war diese neugierige Runde um sich zu haben. Auch wenn viele Männer dort immer wieder betonen müssen, wie ungebildet ihre Frauen sind, so lässt sich nicht leugnen, dass es auch ihnen an Fortschrittdenken nicht fehlen kann. Dass diese Frauen kurz gehalten werden, brauche ich kaum zu erwähnen. Ihre Aufgabe besteht angeblich in der ewigen Mutterschaft. Das ein Mensch eine natürliche Intelligenz haben kann, scheinen einige Männer dort nicht zu verstehen, welche in ausgefeiltem Englisch sagen: “Oh, I hope you are fine. They are all very uneducated, they know very little.” Sie setzen Intelligenz mit “studiert haben” gleich, was den meisten Frauen in der Gegend vorbehalten bleibt. Die Männer betonten ihre eigene Ausbildung meist sehr und schienen es oft auf eine Demonstration ihrer Intelligenz anzulegen. Sie waren allesamt sehr freundlich zu mir, gesprächig und interessiert, doch nach ein paar Tagen störte mich langsam dieser männliche Überlegenheitsgedanke, dieses “die Intelligenz gehört uns”. Shaida malte mir in ihrem Zimmer ein Mehndi auf die Hände. Dort waren wir auch wieder eine ganze Gruppe auf dem Bett. Reden über Männer und Hochzeiten. Und so wurde es langsam 2007 und erster Januar, Eid, Zeeshan hatte Geburtstag, doch weder Sylvester noch Geburtstag werden gefeiert. Der Jahresumbruch erfuhr lustigerweise kein Wort der Erwähnung. Nach ein paar Stunden der Trennung :), fiel ich um halb eins David zum Neujahr um den Hals.

January 16, 2007

Dera Ghazi Khan

Filed under: Von Petersburg nach Turkestan — sarah @ 11:36 pm

Am nächsten Abend erreichten wir Dera Ghazi Khan, der letzte grössere Ort, bevor wir das Dorf erreichten, wo wir Eid verbringen würden. Wir mussten was essen. Fruits and dahi (Joghurt), spicey!! Wie ich das liebe! Das hätte ich morgen am liebsten wieder zum Frühstück! Wenn man als Frau in so ein Essenslokal kommt, wird einem sofort das Separé hinter einem Vorhang angeboten. Wir sassen da mit anderen Frauen, die ihre Schleier abgenommen hatten, die uns genau beäugten und guckten, wie wir assen und fragten, ob sie mit dem Handy Fotos machen dürften. Draussen waren viele Burkas zu sehen, ein Tuch von Kopf bis Fuss mit Gitternetzpartie für das Gesicht. Oben auf dem Kopf gipfelte das Tuch in einen sonderbaren Stöpsel, so dass der Anblick irgendwie ziemlich an eine Birne erinnerte. Es fiel auf, dass alle Frauen ihre Gesichter verdeckt hielten. Mein Tuch liess mein Gesicht offen, daher war ich auffallend, auch durch meine Gesichtsfarbe. Die Blicke waren immer extrem neugierig und ungeniert, doch ich sah darin keinen Vorwurf oder einen schlechten Gedanken. Vermutlich schaute ich selber oft auch neugierig zurück. Ich brauchte noch ein paar geschlossene Schuhe, da ich mich in Lahore barfuss in offenen Schuhen fürchterlich erkältet hatte. Zeeshan on his spending spree und in seiner unendlichen Gastfreundschaft musste mir die Schuhe einfach kaufen. Was David und ich nur anguckten, wir mussten aufpassen, dass Zeeshan es für uns nicht sofort erwarb. Im Dunkeln erreichten wir das Dorf.

Multan

Filed under: Von Petersburg nach Turkestan — sarah @ 10:22 pm

Zeeshan, jetzt nenne ich in “my Pakistani brother” :), nahm uns um den 30. herum in seinem kleinen weissen Suzuki in seine Heimat in der Nähe von Dera Ghazi Khan mit. Neun Stunden Fahrt annähernd bis Multan, wo wir einmal übernachteten. Seezhan war mein verkörpertes Bollywood. “Nobody can stop me from listening this muuusic!!” war seine Philosophie und die Party war da. Ansonsten lief Radio Zeeshan mit belehrenden Ausrufen wie: “Sarah, Sarah look! This is a sugar cane field!! …. Look! This is our big river Indus! …. Look! Overthere are Mango trees!” Ich gebe zu, dass ich mich ab und zu buchstäblich tot stellte, um ein bisschen weniger Wortschwall abzubekommen ;). “What is with her? Do you know yar (friend), I think Sarah is too shy! Today she doesn’t talk anything. First I thought she was outgoing, but today…” 😉 Zeeshan war ständig am Brüten, er schien einfach immer “eingeschaltet” zu sein. Unterwegs hielten wir in einem Ort, um einen Onkel (?) Zeeshans zu besuchen, welcher der Kinderarzt im Ort war. Im Raum, der auf die Strasse offen war, tummelten sich Frauen mit Kleinkindern, uns wurden neugierige Blicke zugeworfen. Umringt von einer Gruppe Frauen entdeckten wir einen Mann an einem Holzpult vor aufgeschlagenem Heft, eifrig die Patientenlisten führend. Er begrüsste uns und wies uns in den oberen Stock, der kaum ausgebaut schien, in sein Büro. Wir bekamen vier Milk teas (char chaj) und sprachen über Konfessionen. Zeeshan stellte irgendsoeine Frage, und die Koran- und Bibelstunde war eröffnet. 😉 Seinen Onkel sahen wir eigentlich gar nicht mehr, aber die Pause war gut! Multan war unser erstes Ziel für den Tag. Wir kamen gegen Abend dort an, mussten uns umziehen, die schönen Sachen, die wir gekauft hatten, um nachher in einer lotterigen Kneipe mit Brathähnchen im Hinterhof zu essen 😉 “Zeeshan I feel terribly overdressed!!” – ” No, you look alright. Everything is fine.” Danach fuhren wir zum grössten Shrine in Multan, es war bereits stockdunkel, und es hatte dort kein Licht. Wir liefen barfuss über die nachtkalten Plättchen auf dem Platz, über die glatte Schwelle des Eingangs, auf die man eben nicht treten sollte, und schlüpften vorbei an ein paar Öllichtern ins warme Dunkel. Es war still, und man hörte aus den Nischen Atmen, der Shrine des Sufis glitzerte, es roch nach Blumen. Unsere Füsse, Ohren und Nasen sahen anstelle unserer Augen. Ich erschrak kurz, als ich fast über den Fuss eines Schlafenden stolperte. Es war ein blinder Gang zu einem schönen, friedlichen Shrine, wo alles ruhte. Auch am nächsten Tag gingen wir dorthin, und wir sahen den Ort mit unseren Augen. Doch blind gefiel mir der Ort am besten.

Bilder

Filed under: Von Petersburg nach Turkestan — sarah @ 10:21 pm

sudo.ch/gallery : Pakistan

Der erste Tag in Lahore

Filed under: Von Petersburg nach Turkestan — sarah @ 10:18 pm

Was soll ich sagen? War ich überrascht? Ich kann es gar nicht mehr genau sagen, ich hielt mich einfach für den wohl glücklichsten Menschen. Ich war bei dem Menschen, der mir am liebsten ist, mit dem ich wohl überallhin reisen könnte, und in einer chaotischen mir noch rätselhaften Stadt. Am ersten Tag, vielleicht ist dies auch der Müdigkeit zuzuschreiben, ergriff mich immer wieder das Lachen. Wohin wir liefen, ich konnte fast nur Männer sehen, und die schauten sich weiss nicht was nach uns um. Ganze Gruppen in Bussen drehten synchron mit grossen weissen Augen, ihre Köpfe nach uns. Zeeshan, der uns am Flughafen abgeholt hatte, nahm uns zuerst zu sich nach Hause. David und ich standen auf dem Flachdach oben und schauten auf die dunstig staubigen Strassen runter, auf die vorbeipreschenden Motorbikefamilies (Papa, Kind, Mama, Kind). Zeeshan warf mir eine Amrood zu (Birnenförmig, wird oft zu Juice gepresst). Ich war zurück! Das war mein Gedanke dort oben. Zurück in der Welt. Mein Vater pflegte manchmal etwas nüchtern zu sagen “Welcome back to reality”, wenn ich aus Russland in die Schweiz zurückkam. Nur, was hat es denn mit Realität eigentlich auf sich? Gerade Russland entfaltete sich mir mit einer Art von “grausamer” Schönheit und altem tiefem Puls. Es war der erste Ort, an dem ich das Gefühl hatte in das kalte Wasser des Lebens geworfen zu werden. Die Schweiz schien mir ein Schlummerleben dagegen. Ethan Casey schreibt in seinem Buch “Alive and well in Pakistan” (hängt mich nicht zu sehr daran auf, es ist das einzige Buch, das ich zu Pakistan gelesen habe!): “… to know how artificial and stylized life is in suburban America, like a sitcom in endless reruns. (…) Once I had peirced the membrane and escaped, there was no going back.” Nicht weniger schien mir diese Luft dort Realität zu sein, nicht weniger kam ich mir als Teil von Geschehnissen vor, die wir dort mit Leuten in diesen drei Wochen teilen würden. Am Abend gingen wir Kleider kaufen, zuerst fanden David und Zeeshan sich je zwei Paar schöne Shalwar Kameez (Shalwar: pludderige Hose mit unbegrenzt weitem Bund, Kameez: langes Überkleid, bzw. Hemdbluse). Im Frauenkleidergeschäft sassen vier Verkäufer. Frauen arbeiten nicht in Geschäften. Einen Spiegel gab es nicht, David beriet mich farblich. Vom Schnitt sind alle Shalwar Kameez sehr ähnlich weit geschnitten. An der Ecke beim Anarkali gibt es einen Fruit Juice Stand mit Tischen und Stühlen, und alle schlürfen Juice. Quaya kachur (ungefähr) ist ein unübertrefflicher Dattelshake! Ab zwei Personen bekommt jeder noch ein kleineres Glas, damit man gegenseitig austauschen kann!! Herzig oder? Zeeshan hatte uns ein Hotel ausfindig gemacht, unweit von seiner Uni, wo wir zwei Tage blieben.

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