July 22, 2006

Pascha, Mascha, Natascha und auch ein Sascha

Filed under: Von Petersburg nach Turkestan — sarah @ 4:41 pm

Pascha, mein lieber Freund aus Petersburg überraschte mich nicht wenig mit seiner Mitteilung, die mich, wie er vor meiner Abfahrt nach Helsinki meinte, zml überraschen sollte. Er verriet nur soviel, dass er aus seiner Zweiraumwohnung ausziehen und aufs Land zurückgehen werde, wo seine Eltern wohnen, alle Details später in Ruhe.
David und ich sassen im Café und Pascha auf Besuch bei einer Tante war grad in der Gegend und kam schnell vorbei. Er sei immer noch verheiratet und habe eine kleine Tochter Mascha, die 6 Jahre alt sei. Sie leben nicht zusammen, aber er wolle ins Dorf zurück und sich mehr um seine Tochter kümmern, wir seien eingeladen auf den nächsten Tag zu seiner Familie.
So kam es, dass ich am darauffolgenden Tag, den Wegweisungen Paschas folgend mit der Metro erst, dann mit Bus in das Örtchen Posjolok imeni Morozova (Siedlung namens Morozov = Revolutionär). Sie wohnen in einer kleinen Wohnung, Mascha und Natascha. Mascha ist ein aufgewecktes Mädchen und ist Pascha verblüffend ähnlich. Natascha hat Geographie studiert und ist sichtlich auch ein zml Naturmädchen. pascha hat einen Berg Fisch gekocht und Natascha Salat zubereitet. In  der Küche hängt Vladimir Putin portraitiert und daneben in einem Kuhmusterrahmen Chodorkovskij hinter Gitterstäben.
Zwei Stunden später kam David mit dem selben Bus im Örtchen an.
Dazu kam noch Sascha, ein ehemaliger Odnoklassnik (Klassengefährte) von Pascha, der sich im laden grad einen Liter Vodka kaufte.
Sascha und David assen noch in der Küche tranken etw Vodka (David =etwas, Sascha= halbe Flasche), während Mascha die entlaufene Schildkröte suchte.
Danach gingen wir an das Ufer hoch, zur Burg Oreschek, wo Lenins Bruder festgehalten worden war, konnten leider aber nicht rüber. DIe alten Männer hatten ihre Ruderboote entw. bereits jmd geliehen oder vermietet  oder waren nicht alle da. Die alten Mannchen vor den Holz- und Blechhüttchen hatten fast alle vom Alkohol rot glänzende Augen, waren an sich aber sehr hilfsbereit.
Sascha meinte über einen, der sei ganz gut drauf, aber der saufe seine ganze Pension hier weg.
Das Volk ist gut, aber es trinkt.
Der Abschied von Pascha war etwas vom Traurigeren, aber ich denke wir werden den Kontakt irgendwie halten.
So fuhren wir mit dem letzten Bus aus dem von der Aussenwelt abgeschiedenen Örtchen weg, welches nicht umsonst tief im Wald versteckt liegt mit seinen 12000 EInwohnern. Früher war hier eine Waffenfabrik, und, als ob es den Ort nicht gäbe, steht auf der Platform der Bahnstation auch nur 24Km.

July 21, 2006

St. Petersburg – Moskau

Filed under: Von Petersburg nach Turkestan — sarah @ 4:44 pm

Am 6. Juli fuhren wir mit dem Nachtzug nach Moskau. Am Morgen liessen wir das Gepäck in der Gepäckaufbewahrung und machten uns auf zur kirgisischen Botschaft. Es war heiss.
Dort angekommen, fanden wir eine simple Eingangstür vor. Nach einigem Zögern machte ich mal auf und ging rein. Natürlich hörten wir sofort ein “Devuschka” und David rief “Oh du wart mau!!”
Der Milizionär war nett und meinte lachend, so einfach komme man nicht in eine Botschaft rein, der Konsulardienst sei um die Ecke.
Das Visum war leicht beschafft. Der kirgisische Wachmann in Tarnanzug war allerliebst und schien keiner Fliege was zu Leide zu tun.
Um 5 konnten wir die Dokumente bereits wieder abholen. Wir gingen in ein kirgisisches kl. Restaurant an der Ecke essen.
Am selben Abend  fand ein Treffen des Hospitality Clubs Moskau statt, wo wir hingingen, um Ekaterina auch zu treffen und ein paar andere, die wir kennen.
Es war ganz lustig, doch leider extrem heiss, und es gab nichts mehr zu essen.
Wir sahen viele Leute wieder, die wir das erste Mal im Juni in Moskau kennengelernt hatten, als David und ich für 4 Tage dort waren, da wir von Florian Gubler, einem Sekretär der Botschaft und seiner Frau zum Z’Nacht eingeladen worden waren.
Wir  lernten ein paar neue Gesichter kennen und fanden es amüsant und v.a. schön, dass sich in Moskau selber so ein Bekanntennetz gebildet hat zwischen den einzelnen Mitgliedern.
Wir gingen mit Katja, einer weitgereisten Frau, nach Hause in ihre Kommunalkawohnung. Sie wohnt in einem Zimmer zu dritt mit ihrem Mann und ihrer Tochter und einem umwerfenden, flauschigen Hund (zu viert somit, obwohl sich der Hund unter einem Bett einquartiert hat).
Ich meine das Zimmer ist ein riesen Chaos, Gegenstände aus aller Welt, eine Holzgiraffe ohne Kopf, eine Hirtenmütze aus Schafsfell aus Turkmenistan, Medaillen, Strohhut,etc. Aber es war so nett bei ihr, sie selber ist ein so ruhiger, feinfühliger Mensch, dass ich es als Grösse betrachtete in einer wohnung, die so klein ist so herzlich Leute zu empfangen. Die Decken in der Whg waren unheimlich hoch, an die 3 Meter sicher. In einem anderen Zimmer wohnte eine andere Familie, die Küche und das Bad sind gemeinsam.
Am Samstag sind David und ich nach Rostov rausgefahren, da wir nicht so Lust auf heisse Grossstadt hatten.
Das war die richtige Entscheidung, wie wir herausfanden. nach dreistündiger Fahrt über weite brache Wiesenfelder und Meeren von violetten Feldblumen, kamen wir in dem kleinen Städtchen Rostov Veliky an. Der Kreml verschlug uns buchstäblich den atem, ganz so, wie es im Lonely Planet beschrieben steht als :”breathtaking”.
Schwalben umkreisten die zahlreichen Türme, und im Hintergrund prangte der riesen Glockenturm.
Wir fanden eine lustige Pension im Anwesen eines Künstlers Michail, der diese zusammen mit seiner gärtnerisch aktiven Mama führt. Es ist eine rote Holzveranda, von der man in 5 Zimmer gelangen kann, die in einem grossen Holzkontainer sind.
Von der durch Bäume blickdichten Veranda kommt man per Treppe durch eine Dachluke auf eine Dachterrasse, was ganz toll war. Dort hat man direkt den See Nero vor sich und das entlegene Ufer, das so menschenleer wirkt, wie ich es mir zu mittelalterilichen Zeiten vorstelle, nachts lediglich Fackeln und Rauch ums Ufer, Mückensurren, über allem ein träger Vollmond.
An einem Tag stiegen wir auf den Glockenturm mit dem Glöckner Dima, der das als Nebenjob, nebst Läuten, anbietet. Das Ticket kauft man in einem kleinen Ikonenladen. Einen Priester im hellblauen Gewand, Otetz Aleksandr (Vater Aleksandr) haben wir noch gesehen, der vom Glöckner wegen einer Schlüsselgeschichte zurechtgewiesen wurde. Lustig fand ich, dass der Glöckner den Priester duzte und den Turm als seinen Machtbereich wahrnahm. Ich glaube Otetz Aleksandr fand das auch lustig.
Am selben Nachmittag war DAS Ereignis im Dorf: Ein Oldtimer Treffen im Zentrum Rostov. jaguar, Rolls Royce und Fiat waren unterwegs durch den goldenen Ring. Fähnchen wurden verteilt, und die Dorfmusik in dickem roten Gewand und mitraähnlichen Hüten spielte auf. Auch Otets Aleksandr mit seiner Familie kam vorbei.
Wieder in Moskau:
Nach umständlicher Zugfahrt und Schlangenstehen (sinnlos, sinnlos, sinnlos) in Aleksandrovsk für eine Fahrkarte, kamen wir einigermassen kaputt in Mokau, Bhf Jaroslavl wieder an.
Diesmal fanden wir Übernachtung bei Lena, einer ich würde sagen aufgeschlossenen Ethnofrau.
Wir brauchten noch unser Usbekistanvisum, das wir bereits beantragt hatten und bekamen auch dieses auch problemlos, aber teurer dafür als gedacht.
david fand in einem geschäft auch noch seine Powerbook Batterie, was ein seltsam lustiges Unterfangen war. Man kam rein, und blieb grad mal beim Wachmann stehen, der Pass und Grund für Besuch haben wollte. Ich erklärte, dann hiess es “Bitte warten”, dann ein Telephon, dann ein “In Ordnung, dritte Etage, zu Herrrn Sowieso..”. Dort angekommen, setzte man uns in ein Wartezimmer, der Herr kam dann vorbei und fragte uns, was wir brauchen. Er verschwand dann wieder, brachte ein A4 Blatt mit Stempel etc./ Kaufbestätigung.
danach gingen wir alle in den Keller, dort warteten wir hinter einer Codeverschlossenen Türe und warteten mindestens auf eine Kalashnikov.
Das war lustig. Der Verkäufer war so eifrig, dass er sich beim Auspacken der Batterie in den Finger schnitt.
Am letzten Tag traf David Derik, einen Mitarbeiter der philippinischen Botschaft, ich ging mit Aleksis, auch bei Lena, an die chinesische Terrakottaausstellung, die im historischen Museum war.
Abends fuhren wir weiter mit dem Nachtzug nach Kazan, wo wir mit Vladimir Khrundin und Asja abgemacht hatten.

Abbruch der Zelte in St. Petersburg

Filed under: Von Petersburg nach Turkestan — sarah @ 4:40 pm

Am 6. Juli sind wir per Nachtzug von St.Petersburg, auf Wiedersehen!, weggefahren.
Diese Ecke des Monats war wirklich eng geworden. Freundinnen wie Saskia und Karin verabschiedeten sich und fuhren in den Kaukasus bzw. Sibirien, Mama und Reto kamen am 25. in einem hochsommerlichen Petersburg an, es kam zu zahlreichen Abschieden und Neuaufbrüchen, Abzug aus dem Obshezhitie (Studentenheim), ich fuhr für 3 Tage nach Helsinki wegen eines neuen Russlandvisums, Mama und Reto sah ich daher viel zu kurz. David entpuppte sich als Prima Eltern-durch-die-Stadt-Führer, während ich in Helsinki war.
Nach Helsinki fuhr ich in einem sog. Mikroavtobus, wo etwa 12 Leute reinpassen. Ich sass zuhinterst eingeklemmt am Fenster und hatte einen zml mürrisch wirkenden Sitznachbarn. Habe ich das bereits schon mal irgendwo aufgeschrieben? Irgendwie kenn ich diese Zeilen…naja.. Wenn, dann kann man überlesen..
Es gab einige Stopps, um Zigaretten zu rauchen, zu kaufen, zu tauschen etc.
Der Sitznachbar taute plötzlich auf, der daneben auch. Ersterer hiess Hussein und war seinen Erzählungen nach väterlicherseits Azerbaidschaner, mütterlicherseits Russe, laut Pass Russe, Letzterer war Finne und kaufte eine Harasse Baltikabier in Dosen. Der Azerbaidschaner bat mich eine Stange Zigaretten mitzunehmen an seiner Stelle, eben, er rauche zwei Päckchen am Tag, was ich bestätigen kann. Vor und nach jeder russischen Aureisekontrolle (3 Grenzübergänge, um das russische Reich zu verlassen) stand er etwas abseits und rauchte und guckte mit seinem zugegeben etwas linkischen Blick den Leuten zu.
Der Finne war sehr fröhlich und plötzlich unheimlich gesprächig, so dass es bei uns hinten noch ganz gemütlich wurde. Hussein schenkte mir noch ein Fläschchen Schnaps für unterwegs, ich brachte ihn aber zu Johanna.
SChlafen war im Büschen natürlich unmöglich. Die Fahrt war zml schnell aber holprig über die Nationalstrasse. Um halb 5 kamen wir an. Helsinki glich einer Geisterstadt und sah schrecklich aus. Ich war total zerknittert und müde und goss mir noch einen Rest SChokolade aus dem Pappbecher über die Hose…Da ich so müde war und nicht wusste wohin mit mir um die frühe Zeit, machte ich den Fehler noch ein bisschen im Bus bei den Fahrern weiterzudösen… natürlich war ich nachher nicht wacher.
Doch nach dem ersten guten kaffee, einem netten Lächeln einer Bankangestellten und bevölkerten Strassen, fühlte ich mich gleich besser und ging direkt zur russischen Botschaft und stand dort etwa zwei stunden, dann kam ich dazu mein Visa zu beantragen. Also ging alles zml zügig, ich befürchtete es nicht zu schaffen und am nächsten Tag erst wieder anstehen zu können. Die Öffnungszeiten sind von 9 bis 12. Johanna meldete sich in der Zeit und wir trafen uns dann auch am Abend am Bahnhof. Ich schaute mich in Helsinki um und war und bin zml begeistert von der Stadt. Schöne Häuser, schöne Leute, Ruhe, Entspanntheit… Das ist ein markanter Kontrast zu Russland, der mir nach 5 Monaten Petersburg schon ziemlich aufgefallen ist.
Es war ein Raum- und Zeitsprung irgendwie. Mit Johanna, die ich über den Hospitality club kennengelernt habe, verstand ich mich sehr gut. ICh konnte bei ihr im Keller in einem kleinen Studio übernachten, das einer Kirchenvereinigung, die in Finnland auch zahlreich sein sollen, gehörte.
Nun ja, was mehr? Ich ging viel zu Fuss, schaute mir die Stadt an, las, ging ins Museum, wo auch Ilja Repin (russischer Maler) ausgestellt wird, trank Kaffee, fand lustige Second Hand Shops, fand dort die Trekkingschuhe für 7 Euro, die ich tatsächlich brauchte, machte mich auf die Suche nach finnischer Musik (Empfehlung: Musikladen Digelius!!! Strasse vergessen, aber Helsinki klein ; ) )
Gekauft habe ich eine CD der Gruppe: Der Mondstaubprophet, leider fällt mir der finnische Name nicht mehr ein…Kuusumun Profeta glaub ich….Kann ich jedenfalls sehr empfehlen), abends kauften Johanna und ich Wein und Batterien und setzten uns auf einen jungbevölkerten Hügel mit Wein und Ghetto Bluster. Nach einem Tag war auch schon das Visum fertig, ich musste einfach bis zum ersten Juli warten, dann konnte ich über die Grenze zurück.
Zurück nahm ich einen grossen Bus, der aber viel länger brauchte. Ich wartete auf den kleinen, doch von dem war nirgends was zu sehen, obwohl ich zuvor angerufen hatte. EIgenartig, dann entschied ich mich spontan halt für den anderen.
Nach 8 Stunden kam ich dann auch heil in Piter wieder an.
Freute mich auch wieder dort zu sein, pünklich auf Mamas Geburtstag.
Wir führten Mama und Reto das erste Mal Sushi essen.

July 20, 2006

Nicht immer Friede, Freude, Eierkuchen…

Filed under: Von Petersburg nach Turkestan — sarah @ 4:51 pm

Gewohnt haben wir einen knappen Monat in der Nähe der Metro Primorskaya, am Rand der Stadt, am finnischen Meerbusen. Der Wind geht dort immer sehr stark. Die Frau, bei der wir wohnten, gehörte leider zu Denjenigen, die in erster Linie etwas dazu verdienen wollen und nahm uns dabei nicht wenig aus, wie ich fand. Ein zml schlechtes Beispiel für russische Gastfreundschaft, die ich an so vielen Orten so gut erlebt habe. Das war nun halt ein anderes Erlebnis. Das Waschmittel war nach zwei Tagen plötzlich verschwunden, und sie drängte mich ein neues zu kaufen, sie habe keines und so weiter. Auch betreff Essen kaufen und Internet und Telephon gab es viel hysterisches Blabla, was völlig überflüssig war, da wir bis zum Toilettenpapier alles selber besorgten. Ich fand die Frau frech mit ihrem Misstrauen und Bitten und Klagen. Wichtig war mir aber den Frieden zu wahren. Mit Andrej,ihrem Sohn, eingefleischter Fussballfan, kamen wir im Gross und Ganzen ganz gut aus, wenn auch er ein bisschen kurios war. Da sie nie die ganze Zeit da war, ging es zum Glück, aber insgesamt war das schon etwas mühsam, am morgen teilweise schnippisch gefragt zu werden, ob ich nun endlich fertig gefrühstückt hätte, sie sei an der Reihe. Schichtbetrieb!! Ich meinte, es störe mich nicht zusammen zu essen, und blieb natürlich sitzen.
Nun ja, was soll ich daran mehr Worte verschwenden, solche Leute gibt es anscheinend.
Wie Nancy einzog warnte ich sie vor, sie solle nicht zuviel bezahlen, dass sei das Ganze nicht wert. Nancy ist das ganz gut gelungen anscheinend, kam lachend am nächsten Tag jedenfalls zu mir und meinte, unsere Chosjajka habe ihr noch den Samowar (Wasserkocher mit Hahn) für 1000 Rubel (50Fr.) andrehen wollen.

June 22, 2006

Kleinkuba

Filed under: Von Petersburg nach Turkestan — sarah @ 3:07 pm

Es ist Sommer geworden! Das Venedig des Nordens hat sich in Kuba verwandelt. Es ist heiss, heiss, heiss. Die Ladentueren stehen weit offen, die Ventilatoren drehen, und kubanisch oder suedamerikanische Musik durchflutet die Cafes. Schoen ist es hier zu sein. Der Wind weht. Gestern ploetzlicher Platzregen mit kleinem Gewitter dazu, alle Leute klitschnass. Am Donnerstag fuhren wir fuer vier Tage nach Moskau, wo wir von einem Schweizer Botschaft Mitarbeiter eingeladen worden waren. Das erwartete offizielle, foermliche Meeting entpuppte sich als familiaeres Abendessen in einer Privatwohnung, was ganz unterhaltsam war. Uebernachtet haben wir am Ende der violetten Metrolinie, Suedost von Moskau – Endstation Vychino, wo die Strassen bereits (passenderweise) Tashkentskij pereulok etc. heissen. Dort haben wir Nachlager bei Mascha gefunden, die gleichzeitig noch ein paar Spanier, Portugiesen und Franzosen beherbergte. Nach einer russisch-internationalen Party uebernachteten wir sozusagen im Massenlager. In den Tagen haben wir abundzu etwas mit diesen Leuten unternommen, traffen aber noch ein paar weitere Freundinnen von mir, die lustigerweise alle in Moskau wohnen. Hier in Petersburg habe ich interessanterweise bis jetzt nur Freunde gefunden, kaum aber Freundinnen… Die Pruefung fuer Russisch 3 ist durch. ICh finde diesen Test und das ganze Verfahren ueberaus zweifelhaft, aber naja. Am Montag waren wir auf der Usbekischen Botschaft in Moskau. Ich war fast sicher, dass wir ohne eine offizielle Einladung von usbekischer Seite kein Visum bekommen werden. Als wir ankamen, stand natuerlich schon eine lange Schlange vor der kleinen Waechterbude. Die Leute hatten ein Nuemmerchen bekommen und warteten auf ihre Reihe. Da wir nichts derartiges hatten,   fragte ich einen Waechter, der uns ueberraschenderweise sofort reinliess… und dann ging alles wie am Schnuerchen… Wir waren nicht sehr vorbereitet, dh Fotos nicht ausgeschnitten, keine Gastadresse etc. Haben dann irgendwie etwas gewurschtelt. Ich dacht, dass sie uns bei DEM Fresszettel sicher kein Visum geben wollen…doch siehe da.. In einer Woche koennen wir wiederkommen, um das Visum zu kaufen, hiess es. Zurueck in Petersburg ging es zu den Kasachen, die hier ein Konsulat haben. Heute habe ich unsere Dokumente abgegeben, nach kurzem Warten. Am 28.Juni fahr ich nachtsueber nach Helsinki, und stell mich am 29. in die Schlange vor der russischen Botschaft, und ich glaube das wird der unangenehmste, anstrengendste Teil, der ganzen Organisation. Am 1. Juli muss ich aber unbedingt wieder zurueck sein, da Mama hier sein wird und Geburtstag hat. Jetzt gilt es noch jem. in Helsinki zu finden, bei dem ich uebernachten koennte. Bin ja mal gespannt auf diese Stadt. Zwei, drei Tage habe ich ja doch dort oben.

June 1, 2006

Frühlingsanfang, ein Anfang

Filed under: Von Petersburg nach Turkestan — sarah @ 9:05 pm

Es ist wie im April, es regnet und windet, und die Pfützen sind unheimlich tief. Die Galoschen habe ich mir also nicht umsonst gekauft. Helle, verregnete Tage, Prüfungen finden bei allen statt, man lernt, trinkt Tee, raucht im Treppenhaus und entschliesst sich irgendwann widerwillig wieder ins Zimmer zu gehen.
Ich verbrachte den Nachmittag mit uralten Morphemen, die ich bis zum 10. Juni erkennen, zuordnen, benennen können muss. Altrussisch, Tee und Banja sind die heutigen Schlagwörter, vielleicht noch Regen.
Nein, nein so trist ist es nicht, nur ist es auch schon elf, man war in der Banja bei siedender Temperatur, und der Kopf will nicht zugeben, dass man schlafen sollte. Es ist so hell, als wär es sechs Uhr. Ich glaub ich habe mich verbrannt in der Banja, auch wenn alle meinen man sehe die gute Durchblutung! Ich bin krebsrot!
Die Banja hat man sich so vorzustellen: eine holztribüne, mit einer holztreppe, sieht aus wie in einem heuschober oder so. Unterhalb der Tribüne befindet sich ein alter Ofen mit Eisentörchen, das immer so geräuschvoll auf- und zugemacht wird.
Eine energische Frau schürt darin dann das Feuer.
Einerseits herrscht eine schweigend klösterliche Stimmung, andererseits wird es heiss wie in der Hölle, und man hört immer dieses EIsentor knallen und die Frauen schwingen die Venikis durch die Luft (Birkenzweige).
Eine Frau stellte sich sichtlich taub und goss pausenlos nach, dass wir vor der Hitze flüchten mussten. Habe mich also halb versengen lassen.
Aber die alte Garde “Venus von Willersdorf” zeigt sich in solchen Situationen unerschrocken und harrt tapfer aus. Saunagänger ; ))

May 27, 2006

Soll ich was schreiben? Letzte zwei Wochen ungefähr..

Filed under: Von Petersburg nach Turkestan — sarah @ 12:49 am

Zwei, drei Wochen habe ich nichts festgehalten. Die Zeit verrinnt aber auch auf eigenartige Weise schnell. Eine Stunde oder zwei, was macht es für einen Unterschied? Es kommt mir vor, als wäre eine halbe Stunde vorbei. Mein persönlicher Glaube ist, dass das nur in Sankt Petersburg so ist, mit der Zeit. Etwas scheint da nicht zu stimmen.
In Moskau funktionierte die Zeit wie immer, in Vladimir, in Suzdal… und dort erinnert einen das helle Geläut der Glocken ja dauernd an die Stunden.
Es ist schon nicht abwegig zu sagen, dass Petersburg in mancher Hinsicht eine “Ausnahme” bildet. Wie genau ist natürlich schwierig zu erklären, und das muss man einfach erlebt haben, diese “Stadt auf dem Sumpf”. Die Regeln der Schwerkraft scheinen zum Glück noch zu gelten, noch…
Obwohl das Gehen Einigen auch schon morgens schwer fällt… aber das ist eine andere Geschichte und soll ein anderes Mal erzählt werden.
In letzter Zeit war viel Besuch hier.Freundinnen aus Moskau. Morgen kommt eine ehemalige Brieffreundin von mir nach Petersburg, zum Stadtfeiertag sozusagen. Prazdnik. Es hängt schon überall die Trikolore.
Es ist eine gute Zeit für Progulki (Spaziergänge). Piter hat was von einem irren Disney Land manchmal. Mit gebildeterer Zunge würde man sagen, es sei das grösste Freilichtmuseum Europas.
Es verstaubt allerdings an allen Ecken, daher kommt es mir manchmal auch vor wie eine grosse Bibliothek. Schöne, alte, staubige Buchdeckel, alter Geruch, darunter befinden sich teilweise sogar unbeschreibliche Geschichten.
Die Literatur holt einen in Piter bei jedem SChritt ein, bei manchem zweiten irgendein junger Geck mit harmloser Absicht: “Devushka, mozhno s vami poznakomit’sja?” (Fräulein, darf man sich mit Ihnen bekannt machen?)
Nun, was ist sonst hier los? Ich habe bald meine Russischsprachprüfung, Test Nr. 3, habe eine Altkirchenslavischprüfung, die mir noch im Kopf rumgeistert, d.h. eher der etwas zerstreute, aber überaus gutherzige, Professor, der sich mehr für die Mikroebene der Morpheme einer Wortendung interessiert als für das Wort selber… So kann man ganze Texte durchkämmen ohne etwas verstehen zu müssen, meiner Meinung nach unendlich Furchtbar! Aber das steh ich durch.
Im Theater waren wir öfters wieder. Das Stück ohne Namen von Tschechov haben wir gestern z.B. gesehen, am Montag ein Stück mit ein paar älteren Damen, war allerdings sehr lau.
Es wird langsam ruhiger, scheint mir, die Examenszeit beginnt, die Stunden gehen dem Ende zu. Abschied bereits von einigen Mitstudierenden.
Hier im Wohnheim ist alles in bester Ordnung: in zwei leere Autopneus wurde die gute Schwarzerde gefüllt, und jetzt prangen je drei Primeln darin, so, dass es richtig auffällt. Der Flieder beginnt an beiden Seiten der Fensterfront zu blühen. Hätte nicht gedacht, dass hier so ein Leben auftaucht, es war alles so dürr und farblos.
Unser Bänkli erfreut sich eben höchster Beliebtheit, es ist deswegen vermutlich am Boden festgeschraubt, sonst wärs sicher schon vor einem anderen Eingang ; ).
Die Tage sind windig und kalt, ich bin an der Uni, oft in einem Café, lerne, lese…
Momentan viel Zeitung, versuche zu vergleichen. Das mache ich einfachheitshalber auf dem Internet. Bin gespannt, was so läuft wg G-8 Gipfel hier (Sammit). Habe gelesen, dass die Aidsfrage u.a. in den Fokus gerückt werden soll. Das halte ich für “sehr an der Zeit”. Eines der Tabuthemen, was es nicht sein sollte.
Ein HIV-infiziertes Mädchen konnte in der Kleinstadt, wo sie aufwuchs weder Kindergarten, noch Schule besuchen, von Arbeitsstelle finden ganz zu schweigen.
Das ist ein kleines Beispiel.
Wir haben hier zuhause auch öfters mal Leute, die aber immer punkt 11 wieder gehen müssen, sonst gibt es Rügen. Ich habs bereits überlebt ; ) Ein Freund verliess das Wohnheim eine glatte Stunde später…
Wovon ich noch erzählen möchte ist Moskau und dem goldenen Ring, doch das an einem anderen Tag.

May 26, 2006

Joggen während der Grauen Nächte

Filed under: Von Petersburg nach Turkestan — sarah @ 9:14 pm

Wir waren joggen in einem Minipark, gleich hier um die Ecke, wo sich alle Hündeler getroffen haben. Erste Gehversuche im Frühjahr sozusagen.
Das stelle man sich aber mal nicht so gesittet , bzw. reglementiert vor, wie bei uns!
Etwa 30 Hunde, kurz, lang, klein, langhaarig etc.. mit ihren Haltern.
Eine lange schwarze kurzbeinige Wurst ist auf Karin, meine Weggefährtin zugaloppiert und hat sie angebellt. Eine Dogge, glücklich freilaufend natürlich, hat uns böse angeknurrt. Der Rest rannte gutmütig hechelnd, wie wir ; )), vorüber. Eine freilaufende “Dobermännin” mit noch angehängter Leine rannte den Räuden hinterher, die wiederum versuchten es bei der unförmigen “Dackelin”. Dazwischen , nebst der paarungszeitlichen Verhaltensweise, schoben sich ein paar langsame Kinderwagen über den Weg mit ein paar plaudernden Müttern dran. Ich war dann für einen kleinen Ausbruch aus diesem Hundeparadies. Vor dem Obshezhitie (Wohnheim) kam uns noch ein uraltes Pärchen entgegen, das unser Bänkli auf dem Heimweg zum Verschnaufen nötiger hatte als wir. Das Mannli war weit über 90 und sabberte etwas, das Frauchen erklärte uns alle Blümchen auf der Wiese. Dann wurds langsam kalt, und wir gingen rein und duschen.
Ach wie schön… diese bElye nOtschi (weisse nächte), die momentan zwar eher sErye sind (grau).

May 14, 2006

5 Stunden Nacht

Filed under: Von Petersburg nach Turkestan — sarah @ 9:57 am

Den Nachmittag lernend auf der Sonnenbank verbringend, gegen Abend in einem der 88 Zimmer zum Essen eingeladen sein, bis zum 11-Uhr-Eindunkeln Bier und Kaffee trinken, sich um 12 auf den Weg in die Stadt machen. Spazieren dem breiten Fluss entlang, an den Frachtschiffen, an einem Orangenmond vorbei, der seit Stunden unentschlossen auf und ab wandert und sich nicht entschliesst hinter einer Fassade mal endgültig zu verschwinden. Warten auf eine Kollegin am aufgeschlagenen Buch Puschkins, wo dies alles geschrieben steht. Die Nadel der Peterpaulsfestung glänzt scharf, zerschneidet die Wolken. Rennen über die aufklappbare Brücke, Ausatmen auf der anderen Uferseite. Asphalt und Strassenlaternen sehen wie auf einem Spielbrett aus, das vertikal steht.
Über den Schlossplatz ins Novus, von dort in die Vtoroj Etazh. Dort schliesslich anstrengende Musik und etwas anstrengende deutschsprachige Typen, die den kleinen Mädchen erst mal erklären müssen, was Russland eigentlich ist und bedeutet. Aber selber nicht fähig jemanden halb normal anszusprechen. Eine langhaarige Blonde im Jeanskleid wendet sich tanzend nur genervt ab von dem deutschen betrunkenen Hünen, und Worte wie “Müsste man in der Schweiz um die Uhrzeit nicht schon unbedingt im Bettchen sein?” gehören ja bereits zu den Klassikern der Ablöscher ; )
Wie auch immer… es gab einen erfreulichen Stromausfall. Dunkel, endlich versteht man sich, die Leute beginnen erst recht zu tanzen…
Um vier wird es Tag… Auf der Strasse torkeln junge Pärchen, ein Mädchen muss sich ganz fürchterlich übergeben. Ihr überfürsorglicher Freund lässt sie keine Sekunde aus den Armen, tröstet und redet, versucht ein Auto anzuhalten. Der Kollege steht benommen daneben. Das erste Auto, das hält ist die Miliz, die erst mal alle auseinandernimmt nach Papieren, illegalen Gegenständen… Das Mädchen ist bleich und fertig und beginnt herzzereissend zu flennen. Der Freund hebt sie hoch wie ein kleines Kind… Die Miliz zieht weiter.. Kleines Drama, umso mehr, als nach einer Minute eine andere Streife hält.. Die Kleine wird hysterisch, und der Freund muss schon alle seine Kräfte aufwenden, um sie zu beruhigen. Der Kollege lässt sich von der Miliz auseinandernehmen und lacht dabei..Auch dies geht vorüber, die Miliz fährt weiter. Der Freund versuchts erneut, hält den Arm raus. Nun reichts dem Mädchen, schlägt ihrem Freund auf den ausgestreckten Arm, lärmt ihn sichtlich an, reisst sich störrisch los, wie es diesem doch endlich gelingt ein Auto anzuhalten. Der Kollege grinst immer noch. Der Freund bittet den Fahrer zu warten, rennt seiner aufgelösten Freundin hinterher, die er anscheinend dann irgendwo in einer Seitenstrasse noch einholen kann.
Es ist 5, taghell, wir sitzen im Kaffee. Um 6 nehmen wir den Bus Nr. 7. Der Fahrer lärmt, wohin wir wollen, ein paar andere Mädchen nennen ein anderes Studentenheim, das auf unserem Weg liegt. Der Fahrer fährt ohne Marschrut, d.h. fährt irgendwie. Die Frau Konduktor schimpft die ganze Fahrt über mit ihm, worauf er zornig beschleunigt. “Wo fährst du denn jetzt hin? Du hast den Mädchen nicht gesagt, wo du durchfährst. Was glaubst du eigentlich, wer du bist? Musst deinen Passagieren doch sagen, wo du durch fährst!” – “Habe ich etwa nicht gefragt, wo sie hinmüssen? Was denn noch?” – “Überhaupt, wo fährst du eigentlich durch?”
Der Haussegen bei Herr und Frau Busfahrer stand also etwas schief heute morgen.
Die Sonne strahlte bereits golden, der Himmel war ganz rot. Um 7 waren wir dann hier. Eine Dusche, dann zwei Stunden Nickerchen. Ein neuer Tag.

May 13, 2006

In der Hitze erscheinen die Ahnen…

Filed under: Von Petersburg nach Turkestan — sarah @ 1:32 am

Ein heisser Maiabend. Im Unterrichtssaal ist es beklemmend heiss. Es ist 17.40 h. Die gut achtzig universitären Ahnen starren nachdenklich, erhaben, ermahnend, müde von den Wänden auf uns, das ebenso müde, zum Tode ergebene Auditorium. Der junge Professor begibt sich auf seine elliptische Laufbahn ums Katheder. Mit dünner Kreide zeichnet er ein feines Netz von Symbolen auf eine bis zu Silbergrau verkratzte Wandtafel. Ich überhöre jenste Worte und studiere die Brillenmodelle der greisen Ahnen und Ahninnen.?Es scheint, als ob sie schon viel zu lange hier hängen als tote Gelehrtenreihe in Sepia Schwarzweiss. Parade macabre. Da ist in der oberen von zwei Reihen, als zweiter von links, ein sanftmütig lächelnder Mann mit polierter Glatze und Brille aus Doppelglas zu entdecken. Ein gewisser Herr Alekseev. Verhalten guckt er etwas gegen die Fensterfront. Geheimnisvoller Ausdruck um den Mund… Mona Lisa smile…?Irgendwo mitten aus der schwarzweissen Menge kommt ein stumpfer Blick. Die überproportionierten Brillengläser, tief auf die Nase geschoben, nehmen dem älteren ergrauten Mann die menschlichen Züge. Verglaster Wissenschaftler. Belesenheit, Zerlesenheit, Müdigkeit, Vergessenheit…?Ins Auge sticht ein gewisser Dovartur, so könnte er ungefähr heissen, müsste mich dem Herrn etwas nähern, ums genau zu sehen.?Weisser Schädel, das Gesicht wird von einem schwarzen Balken, Adorno in Vollendung, in zwei Hälften geteilt.?Ach, und da ist noch ein wichtiger Stern in diesem Ensemble. Derzhavin, in ehrenamtlich vaterländischer Tracht. Links von ihm guckt ein grimmiger Troll, ein Schopenhauer mit schwarzen buschigen Augenbrauen, durch den Lehrsaal.?Kopf und lefzenartige Mundwinkel bedeckt mit weissem Pelz. Etwas aus der menschlichen Vorzeit sogar scheint in diesem Pantheon der Professorenschaft aufzutauchen.?Eine Frau mit abgründigen, schwarzen Augenringen eult richtung Professor Stefan (Name leicht geändert), der gerade bei der “Zentrierung der Struktur“ angekommen ist.?Ein sympathischer, schüchterner Mensch, der die Blicke seiner Studenten scheut. Die Mädchen schreiben seine Worte fleissig mit wie Sekretärinnen.?Wieder zieht er mit dünner Kreide einen geheimnisvoll unsichtbaren Kreis auf der Wandtafel. In der Mitte befindet sich ein kleiner Punkt, darum herum sind unsichtbare kleine Punkte. “Das Zentrum – telos, Wesen, Gott, aliteja, Transzendenz.”?Ich habe jedes Draussen vergessen. Ich starre diesen kleinen Punkt fiebrig an, pulsierend vor Hitze, und warte darauf, dass er einfach zerspringt und die Ahnenformation auseinanderwirft.?Nichts dergleichen. Ich nehme einen Schluck aus dem Tetrapack und denke an den Ananasgeschmack, der mich über die letzten zehn Minuten rettet.

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