August 16, 2006

Auf Wiedersehen Russland

Filed under: Von Petersburg nach Turkestan — sarah @ 3:13 pm

Auf Wiedersehen Russland, wir werden alle Deine Schoenheit, alle Deine verschaemten Haesslichkeiten, Deine Weiten, Deine Staedte, Deinen Zauber, Deinen Spuk, Deinen Fatalismus, Deine Sturheit, Deine Herzlichkeit, Deinen Witz, Deinen Humor, Deine Abgruende, Deine Hoehen, Deine Staerke, Deine Schwaeche, Deine banale Alltagsexotik, Deine frischen und alten trockenen Piroggen, Deinen ewigen Kohl und die ewige Kartoschka, Deine herrlichen Golubcy, Deinen suessen Beerenwein, Deine bittere Suesse insgesamt nicht vergessen, und Deine Leute werde ich nicht vergessen, mit denen ich eine wunderbare Zeit verbrachte. Nun ist es and der Zeit weiterzureisen, in Deine eigene Geschichte eigentlich. Wir reisen nach Zentralasien. Das erste Land wird Kazachstan sein. Warum wir nach Zentralasien reisen, werden wir stets gefragt. Dort herrschten grauenhafte Zustaende und furchterregende Lebensbedingungen. Die Leute wuenschten sich doch alle nach “Russland” zurueck (Sowjetunion gemeint). Ich moechte wissen, ob das tatsaechlich so ist, ob die Leute Dich tatsaechlich zurueckhaben wollen. Manchmal scheint mir, dass die Sowjetunion doch eigentlich gar nichts anderes als eine Kolonialmacht war. Sie zog es einfach vor nahe Laender einzuverleiben und auf deren Kosten zu speisen. Mich hat die Haltung der Russen gegenueber der frueheren Sowjetrepubliken immer interessiert, jetzt habe ich Gelegenheit, Vorurteile aufzudecken und die Laender mit eigenen Augen zu sehen. Fuer mich gehoeren diese Laender in den russischen historischen Zusammenhang. In Petersburg habe ich viele usbekische Gastarbeiter getroffen, die mir ueber ihr Land schwaermten, Georgier, die schwaermten…. Nur die Russen schwaermen nicht, wieso? Warum werden ehemalige Landesbrueder in Petersburg z.B. von Skinheads attackiert? Warum haelt ein alter Mann “Araber” fuer nicht genug lernfaehig (sie koennen nie richtig Russisch lernen), warum sind Kaukasier und Zigeuner ” Cernye” (Schwarze)? Russland, irgendwann musst auch Du Dich diesen Fragen ernsthaft stellen.

Billiardabend im Akademgorodok

Filed under: Von Petersburg nach Turkestan — sarah @ 2:51 pm

Was macht man an einem freien Abend in Akademgorodok? Wir gingen ins erstbeste Cafe in der Naehe und tranken Kaffee, die die rechtzeitig waren, bevor die Kaffeemaschine schon gereinigt wurde (um 20Uhr!!), die anderen (ich), wie es sich um die Tageszeit ja eigentlich gehoert Bier :). Zu dritt mit Karin sassen wir an einem der Bistrotischchen, in einem Einkaufshausmaessigen Cafe und wussten nicht mehr so recht wohin, da auch das Wetter regnerisch war. Ich bemerkte seit einiger Zeit einen neugierigen Blick vom Nebentisch, wo ein junger Typ mit einem dicken Buch und einem grossen Bier sass. Auch er scheint sich irgendwie zu arrangieren, dachte ich bei mir. Jedenfalls sprach er uns dann einmal an. Karin fragte ihn dann unverwandt, wo man denn in diesem Ort eigentlich hinkoenne um die Zeit. -Schwupp- flog ein Handy aus der Tasche und er meinte “One moment! ….. Sed? Zdorovo! U menja zdes’ tri inostranca….etc..” (Sed? Hallo! Ich habe hier drei Auslaender….).So lernten wir Eduard kennen. So kamen wir eine gute halbe Stunde spaeter mit rechtsgesteuertem Taxi vor einer Kellerbar an. Dort standen in daemmrigem Licht vier Billiardtische, an denen irgendwie originalgetreu Maenner mit Bier und einer mit VOllglatze Billiard spielten. Wir bestellten Bier, dazu den getrockneten Fisch, Shpaly (grosse Croutons!!mit Knoblauch!!), und Sed (alias Aleksandr) kam dann noch dazu. War ne gemuetliche Runde. Nach etwa zwei Runden spielten wir Billiard, und das den Rest des Abends bis 1, dann hatten wir noch mehr Lust auf Billiard und fuhren zur Banja, wo man bis 4 Billiard spielen kann, oder noch laenger? Ich weiss es gar nicht mehr genau und weiss auch gar nicht mehr, wann wir da wieder rausgekommen sind…. Zuhause waren wir jedenfalls nach langem Fussmarsch erst kurz vor sechs. Es war lustig, David und ich ein Kommando, Sed und Eduard das andere und Karin war die Ueberlauferin, die im Wechsel fuer beide spielte. Sed und Eduard bestellten eine Flasche Vodka und Essen dazu, d.h. dazwischen assen und tranken wir wieder. Fuer uns wurde es bald mal schwerer die Kugel zu treffen,wobei wir nicht so betrunken waren wie der arme Eduard, der ploetzlich mit uns noch in die Banja wollte. Wir konnten ihn aber alle einstimmig bremsen:”Net!” Das Spielen machte Spass, doch bekanntlich koennen Abende ploetzlich auch zu lange werden, und nehmen eine unerwartete Wende. So nach Regel: Permanente Steigerung, Hoehepunkt und dann der Wendepunkt, dann fallende Handlung. Hoehepunkt: VOdkaflasche leer, Wendepunkt: Eduard machte mir einen unplazierten Heiratsantrag, Fallende Handlung: alle wollten ploetzlich nur noch nach Hause. Tja, aber so enden die meisten Geschichten, nicht wahr? Die Geschichte spann sich auch nicht weiter, es war und bleibt ein einfacher, lustiger Billiardabend in Akademgorodok.                                                                                                                                                          

August 12, 2006

Novosibirsk und Signora Elenas unglaubliches Kuechenland

Filed under: Von Petersburg nach Turkestan — sarah @ 6:42 pm

Ankunft in Novosibirsk im anbrechenden Morgen. Wir konnten direkt im Bahnhof selber in einem Poluljuks Zimmer (Halbluxus Zimmer) uebernachten. Wenn wir aus dem Zimmer rauskamen, standen wir auf einer Bruestung und blickten auf einen riesigen schoenen Wartsaal hinunter. Es kam mir vor, als wuerden wir auf einer Kirchenempore uebernachten. Der sog. Halbluxus zeigte sich damit, dass es kein echtes WC gab, sondern eine Campingtoilette. Ansonsten war das Zimmer riesig, mit allen Schikanen. Am Nachmittag trafen wir Karin, die einen guten Monat in Novosibirsk verbrachte, dort bei einer Soziologin ein Praktikum in der Bibliothek machen und gleichzeitig bei deren Mutter wohnen konnte. So wurden wir von Karin fuer ein paar Tage in die Wohnung von Elena eingeladen, mit der Vorwarnung, dass man sich in den Buecher- und Geschirrtuermen verlaufen koenne. Wir fuhren in das Akademgorodok (Akademisches Staedtchen), etwa 40 Minuten mit der Marschrutka. Dieser Ort ist am Obsee gelegen, einem Reservoir des Ob, mitten im Nadel- und Birkenwald. Es ist das wissenschaftliche Zentrum von Sibirien und hat studentisches Flair.Der Ort ist ungewoehnlich, da er irgendwie wie ein riesiger Campus wirkt, andererseits dort verschiedenste Leute wohnen.  Elena und ihre Tochter Tatjana sowie deren Mann wohnen in zwei Wohnungen mit einer Verbindungstuer. Wie wir reinkamen in das – ich nenns “intellektuelle”- Paradies, sahen wir zuerst eine hohe vollgepackte Buecherwand, davor noch Kisten mit Buechern. Daneben einen grossen Milchkontainer, bis oben voll mit Honig. Ein Kuehlschrank mit Schreibsachen und Papierchen, Hueten und Kalendern drauf, stand in der Ecke, fast die Durchgangstuer verdeckend. An der Wand zwischen Tuermen von weiteren Sachen – ein Garderobenspiegel mit ganz vielen bunten Ketten behaengt. Karin zeigte uns das Zimmer, wo wir zu dritt drin schlafen wuerden. Wuchernde Pflanzen auf dem Fenstersims. Eine, die sich von der Decke sogar auf das Bett herunterringelt, und rundherum Buecher, Buecher, Buecher… Antike Philosophie, Sowjetgeschichte, Krimiautorinnen, Mark Twain… Da lag noch so eine Schachtel rum, wie eine Pizzaschachtel, das habe ich nicht so ganz begriffen, da war ein Bild von Dostojewskij draufgeklebt. Dostojewskij Pizza Service? Jedenfalls kamen wir in die Kueche, und ich wusste, das war nun das Schlaraffenland. Davon hatte ich als Klein gelesen. Das Land, wo es keine Rolle spielt, ob du nun 3 oder zehn Tomaten isst, denn die Schuessel spuckt immer neue aus. Die Broetchen fallen vom Himmel, das Huhn fliegt gebraten durch die Luft, die Kirschen und Aepfel wachsen zum Fenster herein. In der sehr hohen Kueche, stand in der Mitte ein grosser quadratischer Tisch, bei leeren Zeiten war ein kariertes Tischtuch zu sehen, ansonsten stand dort immer eine volle Salatschuessel, Teetassen, Kannen, Loeffel, ein Korb voller Brot, ein Becken voll von frischem Gartengemuese. An den Knaeufen der Einbauschraenke hingen Saecke voll mit Nuessen, Aepfeln, Bonbons… Ueber den Tisch schaute man sich durch lange Pfannen- und Tellerschluchten an, und fast hoerte man sein eigenes Echo. Die Suppe schlummerte brodelnd die ganze Zeit vor sich hin, im riesen Topf. Elena, die kleine Signora, die vor wenigen Jahren zur Katholikin geworden war, Liebhaberin der italienischen Sprache und italienischer Lieder, verschwand zuweilen hinter ihrem ganzen Werk. Die Pflanzen auf dem Sims daempften das Licht in der Kueche. Man hatte beim Essen unbedingt immer einen Gemuesetopf oder einen Vorratssack zwischen den Beinen. Nachts, ich konnte nicht schlafen, schlich ich mich in die Kueche und las dort volle drei Stunden. Diese Kueche und Elena, die mir beherzt die Romanze Santa Lucia  vorsang, werde ich nie vergessen koennen. Es war herrlich schoen dort.

August 7, 2006

Im Zug durch Sibirien mit Pink Floyd und Doors

Filed under: Von Petersburg nach Turkestan — sarah @ 11:06 am

Um viertel nach 2 (Moskauer Zeit, also viertel nach 4) sind wir in das verdunkelte Abteil eingestiegen und warteten auf die Frau Provodnik (Zugbegleiterin), die uns Tickets abreissen und Bettwäsche bringen sollte.
Wir waren müde, runherum gleichmässiges Atmen, hie und da ein kleiner Schnarcher, und dann PLUMPS!, fiel ein kleines Mädchen aus dem Bett. Wütend packte sie ihr Bettzeug und drückte sich wieder auf die Liege.
Vom oberen Bett stieg nun ihre Mutter herab und fragte mich, ob die Kleine aus dem Bett gefallen sei und wickelte sie dann lange sorgfältig wieder ein, dass bald wieder alles still war.
Es dämmerte, als wir schlafen gingen, und lange schlief ich auch nicht.
Der Tag bestand aus Lesen (ich Ljudmila Ulitzkaja, David einen Bestseller mit Titel Shantaram, den er jetzt noch mit dem letzten Licht vom WC Korridor liest), Fotos ordnen auf dem Power Book (David), aus dem Fenster gucken und Musik hören. Bei diesen Weiten: Wiese, Wiese, Wiese, Birke, Haus, Wiese, Wiese, Wiese, Birkenhain, Wiese, Wiese, Wiese, Birkenwald fand ich Pink Floyd super.
Vor allem das Stück “Time” setzte die kleinen abgelegenen 30 Seelendörfchen in eine malerisch-bedeutungsvolle Perspektive.
Immer wieder die Frage, was machen die Leute dort den ganzen Tag? Wo ist der nächste grössere Ort, wo gehen sie einkaufen?
Ist es wirklich so auf dem russischen Dorf?
“Ticking away, the hours of a long, long day…”
Die Gegend hat sich seit heute morgen minimal verändert. Die Wiesen sind grösser geworden und sumpfiger, die Gegend leerer…. aber ich bin mir eigentlich selber gar nicht so sicher.
Der transsibirische Traum? Ich glaube, dass die interessantere Strecke in Irkutsk beginnt, bzw, sich um den Bajkalsee zieht.
Ich fahre selber unheimlich gern Zug, eine romantische Schwäche von mir, doch stelle ich doch auch ernüchtert fest, dass die Strecke Zürich-Bern bereits abwechslungsreicher ist. Wir fahren hier so ziemlich fadengerade längs durch einen irrelangen Vegetationsgürtel, ein ewiges wunderschönes Birkenhainland.
Ich liebe Birken, nun habe ich tagelang keinen anderen Baum mehr gesehen.
In einer Stunde treffen wir in Novosibirsk ein!! Eine Stadt wie ein Pilz aus dem Nichts geschossen muss das sein. Hier aus dem Zugfenster ist es finster. Ich sehe nur mein vom Laptop erhelltes Gesicht und Davids lesendes Profil mit Kopfhörern.
Kein Dorf, keine Fabrik, gar nicht.
Ernährt haben wir uns von sowas wie Quick Soup à la Russe und Kartoffelstock. Heisses Wasser gibt es immer im grossen Samowar bei der Zugbegleiterin vorne. Kaffee haben wir auch genug dabei.
Omsk und Baranilsk, dieses mit sowjetlike Leuchtschrift angekündigt auf dem Betonklotz von Bahnhof, zeigten nur ihr graues unbewohntes Gesicht, dass dort soviele Menschen leben sollen, glaubt man auf den ersten Blick sicher nicht.
Was für ein eigenartiges Land Du doch bist, Russland.
Ich glaube langsam, dass wir über den Bauch eines schlafenden Riesen fahren.

August 6, 2006

Der letzte Tag im Ekaterinendorf

Filed under: Von Petersburg nach Turkestan — sarah @ 11:07 am

Am Bahnhof haben wir heute ohne grosse Mühe aber mit einigem Glück wieder zwei Fahrkarten nach Novosibirsk bekommen.
Der Zug fährt heute um halb 2 (MOSKAUER ZEIT, wohlgemerkt) los, i.e. halb 4.
Jetzt  ist es halb 12, und ich kann mich nicht recht entschliessen, ob ich mich kurzem Schlaf hingeben soll oder müden Auges die Zeit “durchbloggen” soll.
David schläft schon tief. Ich weiss nicht, ich höre jetzt Shine on you crazy diamond, tippe, tappe und gefall mir ganz gut dabei…
Heute waren wir nach unserem Bahnkartentreffer mit Elena, ihrem Freund Sergio und Elenas Papa auf Kurzexkursion. Ich schlug gestern vor gemeinsam das Memorial, Denkmal, für die Opfer der stalinistischen Repression zu besuchen und wähnte daneben auch noch einen bekannten Friedhof, der allerdings woanders lag. Das Denkmal war sternförmig angeordnet und bestand aus vielen Inschriftplatten mit Tausenden von Namen und Daten. Das Denkmal erinnert an die Strecke nach Sibirien in die Gulags, auf der, in Viehwagen, soviele Menschen traurig verenden mussten. Viel gabs sonst nicht zu sehen, es war direkt an der Autostrasse, dahinter war ein kleines Wäldchen.
Über Landstrasse fuhren wir weiter zur  Europa-Asien Grenze, zu einem Grenzstein von 1837 oder so und einer grünen auf den Boden gepinselten Linie.
Es war heute eisig kalt. Sieben Grad.
Elenas Vater fand, wir hätten noch nicht genug getrunken, um hierherzufahren. Das ist ein idealer Fest- und Schalkort dort hinten.
Danach fuhren wir zum Friedhof, weil auf diesem berühmte Mafiabosse, die es in den 90-ern in ihren Fehden tödlich erwischt hatte,  beerdigt und feierlich verewigt wurden. Die Grabsteine sind spektakulär, aus Marmor mit eingraviertem Portrait nach Foto von Typen in schwerer Lederjacke und Goldkettchen. Noch nie sowas gesehen… Elenas Vater fand mein Drängen, “Banditen” anzugucken auch etwas komisch, doch das musste sein. Wo steht denn bei uns ein Grabstein mit einem kleinen, stämmigen Macho darauf abgebildet, in spitzen Schuhen, schlechtem Anzug und Mercedesautoschlüssel in der Hand? Einer wurde auf der Grabsteinkante auf seinem Schneemotorfahrzeug abgebildet und in wichtiger geschäftiger Schreibtischpose.
Die Autofahrt ging etwas zügig vor sich, dass uns hinten allen ziemlich schlecht wurde.
Zum Schluss landeten wir noch in einem Café in der Stadt und gingen danach heim. Da sind wir nun und warten, schlafen, schreiben bis in die frühen Morgenstunden.

July 22, 2006

Abstrakter Raum Bahnhof

Filed under: Von Petersburg nach Turkestan — sarah @ 5:32 pm

Bahnhöfe sind nicht in der Gegenwart angesiedelt. Verwirrung schafft diese zentralistische Regel “Moskauer Zeit” bei uns Ausländern. Erste Vermutung bei Betrachtung des elektronischen Fahrplans “Hm, isch bi dene d Uhr usgschtige?” Eine herzige Babuschka erklärte uns dann die goldene Regel “Moskauer Zeit”. Bis Vladivostok verkehren die Züge nach Moskauer Zeit.Heute Morgen fand ich auch, dass ich nun mal nach Moskauer Zeit aufstehe, nämlich um 2 Std. später 😉

…iz Ekaterinburga

Filed under: Von Petersburg nach Turkestan — sarah @ 5:27 pm

Heute ist ein Leerlauftag. Wir schliefen lange, hatten wenig vor. Vorhaben 1: Tickets nach Novosibirsk besorgen, Vorhaben 2: den Dom Knigi finden, um dort einen Koran in Englisch zu kaufen. 1) Der 24h Schalter hatte plötzlich Mittag und danach noch eine technische Pause, wobei die Dame am Schalter dort sitzen blieb und ständig meinte: “Ich arbeite nicht. Das sehen Sie doch!” So sassen wir dort und mal im Café zwischendurch drei Stunden. Ein Ticket gab es schliesslich nicht, nur zu teure. Wir versuchen es morgen nochmal an einer anderen Kasse in der Stadt, wo vier Angestellte arbeiten, so dass wir den Pausen ausweichen können. Heimtückische Sache. Um 1800 trafen wir Elena und ihren Freund Sergio aus Spanien. Mit ihnen gingen wir was essen in ein multiples Restaurant, einen “Themenpark” (David), wo wir schliesslich nach georgisch, russisch, mazedonisch etc. food japanisch food bestellten. Danach schafften wir es in den Dom Knigi (!) und fanden den Koran, immerhin, auf Russisch. Nun ja, es ist herauszuhören, wir sind nicht eben wahnsinnig begeistert ab der Stadt, und es zieht schrecklich weiter. Morgen nach dem Ticketkauf treffen wir Elena und Sergio nochmals beim Lenin (Denkmal), manchmal sind diese Statuen schon praktisch 😉 )und fahren zu einem Denkmal für die Opfer der Repression raus, etwa 8 km von hier. Dort sollen sich auch die Gräber, bzw. mächtigen Tomben, von bedeutenden Mafiabossen und Familiamitgliedern befinden, die hier in den 90-ern so eifrig am Werk gewesen sein sollen.Wir sind gespannt…

….v Ekaterinburge

Filed under: Von Petersburg nach Turkestan — sarah @ 5:16 pm

Und nun, hier sind wir… In Ekaterinburg. Wir wohnen wie erwähnt bei einem Mädchen, das im wahren Leben (ausserhalb HC) den schönen Namen Irina trägt. Was soll ich sagen, die Stadt ist klein, finde ich, das Meiste scheinen wir gesehen zu haben. Angenehm ist es, bei jmd zuhause wohnen zu können. Vorgestern habe ich Crevetten mit Zitrone gekocht und Gemüsereis und Kaviarbrötchen gemacht…und wir haben Bier dazu getrunken. Die Zarenfamilie wird hier fleissig “memoriert”, in Form eines Denkmals bei dem Chram na krovi (Kathedrale auf dem Blut), wo früher das Haus des Kaufmanns Ipatiev stand, wo die Familie im Keller ganz schrecklich ermordet wurde. Schrecklich deshalb die brutal massive Kirche mit dem kitschigen Familiendenkmal, hinter dem sich eine Treppe hinunterwindet, mit 22 Stufen (soviele Stufen waren es in den Keller hinunter im Haus Ipatievs). Frommer Glaube verschmilzt mit Sensationslüsternheit. Wir fanden das eher widerlich. Ebenso fanden wir den Ausflugsort Ganina Jama, wo sich ein Kloster im hellen Birkenwäldchen befindet, befremdend. Dort befindet sich die Mine, wo die königlichen Überreste verscharrt, wieder hervorgeschleift und mit Säure und Benzin überschüttet wurden. Detaillierter steht es nun auf mehreren Gedenktafeln rund um die Mine, wo auch ein Holzbrückchen, geschmückt mit Romanov Familienbildern als guter Aussichtspunkt auf die Mine steht. Vom 12. – 25. Juli sind die sog. Zarentage, eine Art Memorial. In einer Kirche fand eine Messe statt. Es war eigenartig, da die Leute schnieften und heulten… Es kam uns vor, oder es ist so!, dass die Leute sich in das Leiden hineinversetzen und völlig in dieser Stimmung aufgehen. Ich fand das Ganze makaber und kann da schlecht nachfühlen, offen gesagt. Hat Russland nicht noch viele andere Opfer gebracht und bedeutend viel andere “Märtyrer” hervorgebracht? Sind nicht noch so viele andere Ereignisse unaufgearbeitet? Wieviele Menschen müssten hier noch heiliggesprochen werden!Mich beeindruckte am meisten der hölzerne, wohlduftende Innenraum der Kirche, wo weisse Lilien den besten Geruch der Welt verströmten. Die Tränen, ich gebe es zu, verstand ich nicht.

18. Juli, 28 Grad Aussenhitze, 40 Grad Innenhitze

Filed under: Von Petersburg nach Turkestan — sarah @ 4:44 pm

Wir sind unterwegs nach Ekaterinenburg. Der Zug fuhr um 13.53 in Kazan los. Morgen kommen wir gegen halb 9, Ortszeit, an und werden vermutlich von Kzyuya, einem Mädchen vom Hospitality Club am Bahnhof abgeholt. Es funktionierte ganz gut mit unseren Bleiben bisher, wir haben bis jetzt immer etwas gefunden, und ich fand es spannend so neue Leute zu treffen, die ich sonst nie treffen würde in einer Stadt gerade wie Moskau.
Im Zug ist es heiss und schwitzig. Schweiss- und Biergeruch, braungebrannte, verbrannte Rücken und Füsse in den gummigen Tapotschki (Plastikschlarpen, ca. 3 Modelle in ganz Russland, auf jedem Markt erhältlich ; ) und omnipräsentes Detail im Sommer).
Draussen grollt gerade ein langerwartetes Gewitter, im Wagon brennt das Neonlicht. David liest neben mir links in einem Indienroman, der alte Mann rechts von mir ahmt mich beim Tippen nach. Naja, reiche Europäerin ; )) Geschäftsfrau ;)))
Er reist glaub ich allein, hat aber fürsorgliche Gesellschaft gefunden, die ihn mit Gurken und Brot und Tee versorgt. Die Frau vis-a-vis von mir, die sympathisch Wohltäterin, ist bei besonderem Lichteinfall etwas sonderlich anzusehen. Ihre Lippen sind von einem dichten Schnurrbart gesäumt, was die Frau zum Fischotter macht.
Gerade hat der Blitz mit lautem Knall irgendwo eingeschlagen. Wir sind alle zusammengezuckt.
Der graumelierte braungebrannte Mann neben mir, wandte sich an mich, in einer Sprache, die ich nicht verstehe, oder war es ein zahnloses Russisch?? Die Frau gegenüber von mir schaute ihn jedenfalls argwöhnisch an, dann mich, lächelnd – anscheinend lohnt sich die Übersetzung nicht. Mein schnelles Tippen brachte er jedenfalls in irgendeinen Zusammenhang mit dem Blitzeinschlag. Wie auch immer…. David liest und ich schreibe nun. Ich muss die letzten Wochen nochmals revue passieren lassen. Ich habe sehr lange nichts mehr eingetragen.
Ich weiss nicht, wo ich ansetzten sollte. Der Mann nben mir schwitzt und stinkt…. und beobachtet mich beim Schreiben. Auch er wird sich nach einiger Zeit dran gewöhnen und sich hoffenltich auf sein Plätzchen, auch vis-à-vis legen.
Der Speisewagen hat gerade frei und erwartet zahlreichen Kinderbesuch, wurde uns mitgeteilt. Dummerweise haben wir tatsächlich viel zu wenig Essen dabei. EIn paar Madleines und trockene Kekse haben wir aber noch bekommen.
Die Frau gegenüber hat ihre kleine Tochter dabei, die uns ganz neugierig vom oberen Bett beäugt und sich vermutlich fragt und vorstellt, was für Leutchen wir sind, die lesen und ein Compüterchen dabei haben.
Die Frau vis-à-vis kennt den halben Wagon und beherbergt ;))
Eine Frau in hellblauen Russia-shorts und blauen Tapocki kommt ab und an wieder auf ein Schwätzchen vorbei. Gespräche über Gurken, wie man sie am besten aufbewahrt, ob man sie einfrieren kann oder nicht, und wenn, ob man sie nur noch für die Okroshka (kalte Kvas- oder Kefirsuppe) verwenden kann. Die Leute spielen Karten, Essen weiches Brot mit Wurst, trinken Bier aus 2,5 liter-Flaschen und geben sich dem Schlummer hin.
Ohne die schweissige Biernote hier im Abteil wäre es tatsächlich um Einiges angenehmer, aber das sind Sachen, die man während Zugfahrten wohl oder übel in Kauf nehmen muss. Dafür strömt von aussen gerade wunderbar kalte Luft rein.
Ich habe in einem Buch von Ljudmila Ulitzkaja gelesen, ein paar Erzählungen. U.a. ist eine mit dem Titel Zju-jurich (soviel wie Zürich ist gemeint) darunter. Darin geht es um eine  “Einheiratung” in diese verheissene Stadt.
Nun spielt das ganze Nachbartischchen von den Vis-à-vis Karten.
Kurzer Zwischenstopp in einer Miniortschaft. Gelegenheit auf dem Perron bei Babuschki und Devuschki Instantsuppe, Instantkaffee und Gartengemüse zu kaufen. So haben David und ich uns für die Weiterreise wieder versorgt und löffeln gerade Suppe und beissen in kleine Gartenzwiebeln, während unsere Nachbarn einen grossen gelb getrockneten Fisch mit vor Schreck geöffnetem Maul hereintragen. Der Fisch ist gar nicht so schlecht, für uns etwas ungewohnt, da roh getrocknet und zml fischig, aber mit Bier und Brot ist er in kleinen Mengen noch gut.

Wolga, Wolga

Filed under: Von Petersburg nach Turkestan — sarah @ 4:42 pm

Kazan habe ich mir ganz anders, v.a. schöner vorgestellt. Was mir daran aber sehr gefällt ist die Gegend um den Markt, die kleinen Moscheen, die tatarische Sprache überall, das tatarische Essen (wobei nach einiger Zeit das auch alles etw. zu fleischig wird).
Wir wohnten etwas ausserhalb, im Sovjetskij Rajon, an der Strasse 8oe Marta (8. März = Internationaler Tag der Frau).
Asja, Volodjas Frau, war zuhause und empfing uns bereits morgens. Sie wohnen in einer Zweizimmerwhg mit zwei Katzen und einer Schildkröte.
Leider hatten wir keine Matten dabei, und das Schlafen auf dem Fussboden war ohne zu beschönigen steinhart.
Doch es tat am nächsten Morgen zum Glück nie was weh, immerhin.
Schwieriger war der etwas üble Teppichgeruch am Fussboden…. Mir war nie so ganz klar, wo die Katzen hinpinkeln, und als ich in tierliebem Enthusiasmus die Schildkröte auf das Teppichfreiland setze, pisste die doch prompt darauf.
Wir assen ein paar Mal in tatarischen Kantinen, was sehr günstig und v.a. gut war.
Auf dem Markt fanden wir auch noch ein paar Dinge, die wir gut brauchen konnten.
Am Samstag wollten wir nach Svjashsk, auf eine insel fahren mit dem Schiff, doch bereits morgens um 8 waren soviele Leute (laut David “blööödi Datschniki”) unterwegs, dass wir keine Billets mehr bekommen konnten. So fuhren wir nach Fahrplan halt um 9 einfach woanders hin, nämlich nach Kzyl Bajrak, einem verschlafenen tatarischen Volgadörfchen, wo wir auf weiter Ebene einen Muni, ein Pferd und zwei Leute sahen. Unten am Ufer konnte man baden, wenn man nicht heikel ist. Das Wasser ist ziemlich veralgt und lädt nicht besonders ein. Ich tauchte kurz bis zum Hals ein.
Zum ersten Mal im Leben kam ein Maulwurf auf uns zuspaziert, in blindem Gang zum Wasser hin. Er steckte seinen Rüssel rein, plumpste plötzlich ganz rein, begann wie wild zu kraulen und schwamm unerwartet in die weite Wolga hinaus.
Ich entschied mich zu spät ihm nachzuspringen, und quäle mich bis jetzt ehrlich gesagt mit schlechtem Gewissen und der Ungewissheit, ob er die 3Km mit seinem kräftigen Schwumm wohl überqueren konnte. Ach ja…das erinnert mich an die zahlreichen selbsterfundenen Maulwurfgeschichten, die mir früher mein Vater zu Einschlafen jeweils erfunden hat. Dabei handelte es sich aber immer um das Maulwurf Duo Bruno und Benno. Bruno war schlau und listig, Benno gutgläubig und tolpatschig und somit der blindere von beiden. Bruno musste oft ausrücken, um seines Freundes Leben zu retten.
Ich bin überzeugt, dass ich Benno getroffen habe, hoffe bis heute, dass Bruno seinen Freund da irgendwie rausziehen konnte.
Am Sonntag besorgten wir uns Weiterfahrkarten nach Ekaterinenburg, was kein Problem war. Nach der Station Aleksandrovsk, wo nur ein Schalter für eine ganze Meute offen war, bin ich mental vorbereitet auf Ticketkauf am Bhf.
Einzig eine alte Dame im obligaten Oma- Blümlikleid, eine der typischen “Kommandantinnen”, die die Leute immer eines besseren belehren wollen, das Schlangenstehen manipulieren und Staus und Streit verursachen (Aleksandrovsk!!!), indem sie in 5 versch. Schlangen anstehen und jedem vor sich sagen “Halten Sie bitte den Platz!”, musste etwas rumstürmen. Wenn 5 solcher Frauen, die David nur noch die “komplizierti Blüemlifroue” nennt, anstehen, geht das Chaos los. Ein Mann konnte aber geschickt dämmen “Was kommandieren Sie hier rum? Stehen Sie an und lassen Sie die Leute in Ruhe.” Recht hat er, denn alle wissen doch eigentlich, wie es geht.
Alptraum Aleksandrovsk wirkt nacht: kreischender, streitsüchtiger Weiberhaufen.
Am selben Tag gingen wir in einen Kleiderladen für Muslimische Mode, da ich etwas Angemessenes tragen möchte unterwegs, was nicht zu heiss gibt und schützt und in muslimischen Gegenden etwa so getragen wird, damit ich nicht ganz unvorbereitet, dh “komisch angezogen” daher komme. Die Tatarinnen im Laden waren ganz nett und eifrig mit Erklärungen und Tipps. David war fast etwas entäuscht, dass er als Mann nicht viel mehr als Hosen übers Knie braucht. Ich bin jetzt dagegen jedenfalls eingekleidet ; )
Am Montag fuhren Asja, Bulat, ein Freund von ihnen, David u. ich nach Bulgar, einen einstigen wichtigen Handelspunkt/Zentrum der Volgabulgaren, heute in Ruinen und rekonstruiert, nicht immer sorgfältig.
Ebene, Moscheen, alte Grabplatten mit bulgarischen bzw. arabischen Inschriften.
Heiss war es wie verrückt, kleine Höfe mit Hühnern und Gänsen schmückten das Bilderbuch.
Wir badeten in der Wolga, schwammen ein gutes Stück.
Das Ufer der Wolga ist dort auslaufend, die Wolga ist an der Stelle unglaublich breit.
Das Schiffahren auf dem “Meteor” dauerte etwa 3 Stunden.
Am Abend fuhren David und ich noch todmüde in die Stadt was essen.
Auf dem Rückweg hatten wir einen ungewöhnlichen “Autofang” ; )
Beim Einsteigen merkten wir, dass der Zhiguli rechts hinten absackte, worauf der Fahrer mit erhobenem Zeigefinger meinte :”Moment” und hinter dem Wagen verschwand. “Heimer öppä ä Platte?” – David.
“Tscht,tscht, tscht”, antwortete eine Fahrradpumpe vor dem Fenster. Wir stiegen aus, für 100 Rubel wollten wir schon ein “gepumptes” Auto nach Hause.
Ein anderer Fahrer bot uns gleich an, uns mitzunehmen, auch für 80.
Der andere wurde sauer und meinte, das sei nicht fair. Ich musste aber sagen, dass wir so nicht fahren möchten.
Dann fuhren wir heim und fielen schnell in den Schlaf.
Heute packten wir und fuhren dann mit dem Bus in die Nähe Bhf. Während der Fahrt flog eine Babuschka, auch eine Blüemlifrou mit ihrem beerengefüllten Wagen durch den Bus, da sie sich nicht festgehalten hatte. Wir sahen schon alle Beerenkübel zerschlagen und ausgeleert durch das Tram schleudern, doch irgendwo fand die Gute dann doch noch Halt zum Glück. Die kleine Enkelin mit dem Beereneimerchen meinte nur. “Babulja, du musst dich doch festhalten. Was machst du denn?”
Und voilà, jetzt sitzen wir im Zug nach Kazan, und ich schreibe sicher schon seit zwei Stunden. Die Zeit fliegt davon, es ist kurzweilig hier. Das Mädchen Syrah, gegenüber von mir war zwar sichtlich nicht müde zu kriegen, doch jetzt ist auch sie eingeschlafen. David hat sich auf s obere Bett verkrochen, und ich höre hier auch mal auf und schau bei ihm vorbei.

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