September 11, 2006

Karakol

Filed under: Von Petersburg nach Turkestan — sarah @ 1:59 pm

Mit einem grossen Bus fuhren wir nach Karakol. Der Bus hielt unterwegs ueberall wieder – mal im Dorf, mal mitten auf dem Feld. Leute transportierten grosse Melonen, Saecke mit irgendwas drin, vielleicht Kartoffeln. Die Doerfer sind kleine Weiler aus Lehmhaeuesern, die meistens aber weiss und blau angestrichen sind.Kleine Kinder laufen an der Strasse entlang, schauen dem Bus nach. Die alten Leute sitzen auch da, und schauen den vorbeifahrenden Fahrzeugen zu. Die Bevoelkerung scheint auch auf den Doerfern gemischt zu sein. Unter vielen spielenden dunkeln Haarschoepfen erblickt man ploetzlich hin und wieder einen kleinen blonden.
Nach etwa drei Stunden kamen wir am Busbahnhof in Karakol an. Taxisten erspaehten uns sofort, daher mussten wir keine Sekunde lang nach einem Taxi in die Ortschaftsmitte suchen.
Wir fuhren zum Guesthouse Terskey, das von einem aelteren Ehepaar gefuehrt wird. Zum ersten Mal nach der Wanderung konnten wir dort wieder einmal duschen. Wir hatten solange mit dem See Vorlieb genommen.Im Guesthouse gab es einige Zimmer. Unser Zimmer war an den Waenden mit zwei grossen Teppichen bespannt. Manchmal weiss man liegend wirklich nicht mehr, wo oben und unten ist.
Ich fand noch eine altes Buch ueber die Sowjetische Republik Kirgistan, herausgegeben in Frunze (heutiges Bishkek) 1982. Es war sehr sympathisch bei dem Ehepaar. Es gab einen kleinen Garten und einen kurzbeinigen Hund. Sie pflanzten auch einige Fruechte im Garten an. ZUr Zeit, als wir dort waren, hatte es auch einige andere Reisende aus Frankreich, Italien, der Schweiz… Es war ein guter Ort, sich ein bisschen auszuruhen, mal was zu lesen oder zu schreiben.
Als wir abends von dem verschlafenen Quartierweg, wo manchmal einzelne Kaelber entlangspazieren, in das Zentrum liefen, eroeffnete sich uns ein ziemlich verlassenes Bild.
Es dunkelte, und wir merkten, dass es in dem ganzen Staedtchen keine Strassenbeleuchtung gab. Im Zentrum befindet sich ein sehr sowjetischer Park – Wandeln auf Betonplatten und vorbei an irgendwelchen Helden. Lenin steht auch ganz in der Naehe in Aufbruchspose.
Es gibt aber viele Restaurants entlang der Strasse, die sich in der Stadtmitte befindet. Die Haeuser sind klein und aus Holz, bunt angestrichen. Das war fast eine kleine Westernstrasse ;).
Dort fanden wir das Restaurant Zarina, wo man sehr gut essen konnte. Zum ersten Mal hatten wir dort das Dungan Essen. DIe Dungan sind muslimische Chinesen, die nebst den Uyghuren zahlreich in Kirgistan leben oder generell nahe zur chinesischen Grenze.
Ashlyanfu ist z.B. ein Gericht aus Nudeln, die es im zentralasiatischen Laghman auch gibt, und Reisnudeln, scharf gewuerzt. Das mag ich ziemlich gerne. Ganfan ist auch sehr gut, das ist eigentlich ein Ratatouille.
Eine chinesische Moschee gibt es unweit vom Zentrum. Bis auf den kleinen hoelzernen Turm mit glaenzendem Halbmoendchen, wuerde man das Gebaeude nicht fuer eine Moschee halten. Sie sieht in ihren bunten Farben und dem gefaecherten Dach aus wie ein buddhistischer Tempel. Sie besteht gaenzlich aus Holz und soll keinen einzigen Nagel enthalten.
Dorthin verschlug es uns, als wir HInterhoefe mit bunten Teppichen ueberquerend einen Laden mit Gaskochern suchten.Dieser befand sich auf dem dritten Stock eines Haeuserblockes. Sie hatten dort zwar keine Gaskocher, doch die Leute hatten dort so Spass, dass wir vorbeikommen, dass wir sicher fast eine halbe Stunde dort blieben. Die Frau im Buero vermittelte auch Unterkunft oder Touren, ich erinner mich nicht mehr genau, und war aeusserst reizend. Sie telefonierte in eine andere Reiseagentur und fragte nach Gaskochern.
Dort fanden wir schliesslich was wir brauchten. Wir planten einen Ausflug ins Tal der Blumen “Dolina Cvetov”.

September 9, 2006

Zu Gast bei Rosa und ihren Kindern

Filed under: Von Petersburg nach Turkestan — sarah @ 4:59 pm

Wie erwaehnt verschlug es uns fuer einen Tag nach Cholpon Ata. Die kleine Frau, die mit einem Schild, wie es Dutzende tun, an der Strasse auf Leute wartete und uns als erste Person in Cholpon Ata ansprach, stellte sich uns als Rosa vor. Sie sprach sehr gut englisch, und wir waren muede und sagten gleich zu.
Zugegeben war ihr Haus so ziemliche eines der abgelegensten. Man hat keine Chance nachts das Haus selber zu finden, da es weder Strassenschilder, noch Strassenbeleuchtung gibt. Die Kopftaschenlampe bewaehrt sich in Kirgistan!
Sie fuehrt mit ihrer Familie ein Cafe mitten in dem Touristenknaeuel, dabei war es tatsaechlich das einzige, welches uns zusagte. Die Tochter und der Sohn helfen mit. Die Kinder haben den Wunsch ein eigenes Haus zu bauen, daher haben sie das Projekt mit dem Homestay und dem Cafe aufgezogen. Abends sassen wir dem Sohn noch etwas draussen. David und er sahen ploetzlich einen herunterfallenden Kometen. Das Haus war ein Lehmhaus, die alte Haelfte weiss uebertuencht. Sie schliefen in einem Raum gegenueber, was wohl die Kueche mit Zusatzraum war. Der Garten war sehr gross mit vielen Aepfel- und Aprikosenbaeumen. Auf einem Holztischchen waren Fruechte und Chili zum Trocknen ausgelegt. Das Klo war weit hinten hinter den Aepfelbaeumen, wo ich lustiges WC Papier vorfand – das Englishheft von einem der KInder, Stufe 1 mit vielen bunten Zeichnungen. Etwas zu schade eigentlich, und ich nahms warum auch immer als Andenken mit.
Was wir vielleicht haetten machen koennen in Cholpon Ata und nicht machten, waren die Petroglyphs (Hoehlen-, Steinmalereien aus der Steinzeit) angucken. Dazu reichte uns die Zeit nicht mehr, da wir unbedingt schnell weiter wollten nach Karakol. Wir verabschiedeten uns von allen, tauschten Adressen und rauschten sozusagen davon. Es war sehr herzlich und nett bei den LEuten, doch der Ort selber ist voellig ueberlaufen. Wir reisten weiter entlang des Issyk Kul.

September 5, 2006

Über die Grenze nach Kirgistan / eine viertägige Wanderung von Freitag bis Montag 21. August

Filed under: Von Petersburg nach Turkestan — sarah @ 6:07 pm

Vorbereitungen 

Wir gingen in die von dem russischen “Gid” empfohlene Agentur vorbei und lernten Jurij kennen. Er war etwas lustlos aufs Erste, schien mit Allem zwar einverstanden, doch blieb zurückhaltend vorerst. Der Grund lag darin, dass er die Grenzüberschreitung für uns als problematisch betrachtete. Es ist wahr, vor etwa zwei Jahren wurden die Grenzbestimmungen geändert, Ausländer können nicht mehr so einfach über die grüne Grenze. Das lasen wir auch in unserem Guidebook. Doch was sollten wir machen? Wir hatten uns in den Kopf gesetzt dort rüberzuwandern. Die Grenzpatrouille befinde sich im Chong Kemin Tal, er wisse nicht, ob die uns zurückschicken oder uns mit einer Busse belegen würde. Er würde es nicht riskieren, sagte er. Es sah so aus, als wäre er deshalb nicht  bereit mitzukommen, was verständlich ist. Wir brauchen für jedes Land offiziell Einreisestempel und Ausreisestempel, wobei Ersterer bei der Ausreise wichtig ist. Die Patrouille gebe keine Einreisestempel, den müsse man sich sonst irgendwie besorgen.
Ich fragte, ob es denn Leute gäbe, die die Tour trotzdem machen. Darauf meinte er, er könne sich umfragen und uns abends oder am nächsten Tag Bescheid geben.
Am nächsten Morgen rief ich an, und Jurij sagte, es gäbe anscheinend Leute, die es wagen. “Na gut, dann fahren wir.” Somit wars entschieden, wir bereiteten uns vor auf den nächsten Morgen. Auf dem Zelenyj Rynok gingen wir Proviant für über vier Tage vorsorglich einkaufen, leichte Sachen vorwiegend, da unsere Rucksäcke schon schwer sind. Ich hatte bisher immer wieder unterwegs Sachen weggegeben , um das Gepäck möglichst tragbar zu halten. Irgendwo schnappte ich mich mir noch ein Shubat, Kamelmilch, war aber nicht so hingerissen davon. Khmyz oder Kumuz, fermentierte Pferdemilch, schmeckt mir besser. Aber frisch wäre Shubat vielleicht auch was Anderes.

Erster Tag

Um neun Uhr kam Jurij mit einem Fahrer im diesmal beigen Lada Niva, demselben Modell wie in Ust’-Kamenogorsk, angefahren.
Wir fuhren eigenlich weiter als es das Auto ertrug, streckenweise blieb es spulend stecken. Jurij wollte an anfänglichen Höhenmetern gewinnen, da der Weg vor uns sowieso noch lang und teils steil werden würde.
Zuerst mussten wir Schuhe ausziehen und durch einen eiskalten Gletscherfluss waten.  Die Füsse sterben danach fast ab. Das sollte nicht das letzte Mal sein, dass wir durch einen Fluss mussten. Nur ein Fluss war hüfttief, das war um sieben Uhr morgens früh schon gar etwas hart ; ).
Wir kamen am ersten Tag schon gut vorwärts und erreichten gegen Abend das Chong Kemin Tal, wo der Fluss Kemin (Chong heisst auf kirgisisch “gross”) durchfliesst durch mittlerweile dürres Grasland. In der Ferne weideten Pferde und Kühe. Weit weg waren Jurtensommelager, Jailoos, zu sehen.
Wir schlugen unsere beiden Zelte auf und begannen auf Jurijs Gaskochplatte zu kochen.  Um die Zeit kamen drei Kirgisen auf Pferden vorbei, einer davon war der Nationalparkinspektor. Wir mussten etwas bezahlen für das Zelten und bekamen die “Warnung”, dass die “pogranicniki” am nächsten morgen früh durchs Tal reiten würden. Jurij meinte, wir sollten diese eher meiden, und so entschieden wir allerspätestens um sieben Uhr aufzubrechen.
Wir gingen auch früh schlafen, es wehte ein kalter Wind, und Jurij war so gut und hat uns allen Arbeiterhandschuhe gekauft, mit denen  das Zeltauf- und -abbauen viel leichter war. In der Nacht war es ziemlich kalt, ich behielt alle meine Kleider plus Faserpelz an.

Zweiter Tag 

Am Morgen hörten wir Wiehern. Als ich aus dem Zelt äugte, war eine ganze Pferdeherde am Hügel versammelt, ein Mann trieb sie das Tal hinunter. Wir tranken schnell Tee, packten unsere Sachen ein und gingen weiter. Zuerst, nach 15 Metern, mussten wir gleich durch den hüfttiefen Gletscherbach. Eine knappe Stunde später mussten wir über den eiskalten Chong Kemin. Da war am Ende des Tals ein kleiner Bergsee, zu dem man hätte raufgehen können, doch wir wollten möglichst nichts mit den Grenzpatrouillen riskieren. So liessen wir diese Schönheit aus und wanderten richtung Aksu Gletscher hoch. Wo hin man schaute, überall erspähte man einen Gletscher, zumindest noch eine Zunge davon oder eine gewaltige Moräne.
Es war anstrengend, oft über die kleinen Felsen zu spingen. Unterwegs sahen wir die ganze Zeit grosse dicke Murmelchen (Sorok), die herumquietschten oder sich neben ihrem Erdloch sonnten. Zum ersten Mal sah ich Hermeline, kleine Tierchen mit kurzem Schwänzchen. EInen Adler hatten wir übrigens ganz zu Anfang, am ersten Tag gesehen.
Wir schlugen unser Lager direkt unter dem Gletscher Aksu auf. Dort war alles steinig. Die Bäche waren milchig trüb vom Gletscherwasser. Bäche vom Berg weiter oben waren gegen Abend tiefbraun und das Wasser unmöglich mehr verwendbar. Am Nachmittag legten wir uns in das noch warme Zelt und lasen. Wir waren gegen 8 Stunden unterwegs gewesen. Wir tranken mit Jurij Tee und erzählten uns viele Dinge.

Dritter Tag

Am dritten Tag liefen wir den Gletscher hoch, eine Mondlandschaft. Grosse Steine lagen auf kleinen und sahen aus wie Pilze, da das Eis abgesunken war. Manchmal sah man in eine tiefe Spalte in kristallen leuchtendes, kaltes Blau, woraus es von tief unten rauschte und gluckste. Es war schön. Ich war das erste Mal auf einem Gletscher, ich wollte das immer schon mal, doch ich dachte man müsse speziell dazu ausgerüstet gehen, sonst wäre es zu gefährlich.
Ich hatte den Eindruck, dass mein Rucksack immer schwerer wird, als wir ganz steil einen kleinen Weg ueber eine Steinhalde heraufsteigen mussten zum Aksu Pass. Da hatte ich mit dem Rucksack ziemlich Mühe. Es ging, aber ich musste ganz langsam hoch. Hinter uns änderte das Wetter, und es trieb uns an zügig weiterzugehen. Nun mussten wir alles wieder hinunter ins Aksu Tal. Das dauerte auch eine Weile, dort unten schliesslich mussten wir noch einmal durch einen Bach waten. Dann gingen wir auch gleich weiter talabwärts.

Ankunft in Kirgistan (bzw. in der Zivilisation)

Das Tal ist sehr, sehr lang. In einem Tag Fussmarsch kommt man kaum runter. Wir waren sehr müde, stolperten bis Abend weiter und weiter, um unser Zelt in der Nähe eines Jailoos aufstellen zu können. Wir wollten am nächsten Tag mit jemandem hinunterfahren. Irgendwo unterwegs sah ich eine Frau mit Pferden, die zu uns guckte. Ich winkte ihr zu, sie winkte zurück und ritt uns kurz darauf nach. Als sie uns einholte, sah ich, dass es ein ganz altes Frauchen war in pinken Tapocki (Plastiklatschen). Sie bot uns an das Gepäck aufzuladen. Es fahre um 17h ein Wagen nach Grigorievka an den Issyk Kul hinunter. Wir hatten aber soviel Gepäck, welches auf dem Pferd nie und nimmer anzubinden gewesen wäre. Wir wären gleich schnell gewesen. Wir fragten, wieviel es kosten würde, dabei zeichnete sie die Zahl 100 mit dem Zeigefinger in die Luft “Eins und Null, Null”.
Wir dankten ihr, gingen aber so wie bisher weiter. Gegen sieben Uhr kamen wir zum ersten grösseren Jailoo. Eine alte Frau winkte uns mit dem Winken aus dem Handgelenk, wobei sich die Hand im Kreis dreht. Von unten kam ein Mann auf dem Pferd auf uns zugeritten. Als er bei uns war, liess er sich schlapp vorüberkippen, um mit uns zu sprechen. Der schnauzbärtige Mann war stockbetrunken und sass dank lebenslänglicher Erfahrung noch im Sattel. Er wollte uns ein Auto andrehen für viel zu viel Geld. Er fragte wie wir heissen und schien höchst entzückt. Doch irgendwie brachten wirs mit ihm nicht weiter und wollten eigentlich lieber zur Jurte. Die Grossmutter kam mit einem Enkelkind zu uns, und Jurij meinte zu mir “Geht mit der Babuschka mit. Ich versuch den hier irgendwie loszuwerden.”
Die Grossmutter war eine sehr sympathische Frau im langen violetten Kittel, hintenzugeknöpften Kopftuch und mit einer ganzen Reihe blitzender Goldzähne. Das Enkelkind hatte unwahrscheinlich volle rote Backen und viel Milch um den kleinen Mund, der zwischen den Backen fast verschwand. Vor der Jurte spielten junge Hunde, im Gehege waren nur die Kälbchen, alle schienen auf die Erwachsenen zu warten, die abends von der Weide runterkommen. Die Babuschka sprach noch etwas russisch. Wir bekamen Ajran und Khmyz zu trinken. Ajran ist Joghurt. Es waren insgesamt vier Kinder und noch ein paar ältere Jungs zuhause. Ich wusste nicht genau, wer mit wem wie verwandt ist. Rachat war jedenfalls die Mutter von dem kleinen rotbackigen Mädchen in der bunten Blumenveste. Sie selber war ganz in Pink, von Kopf bis Fuss. Die Familie leuchtete in Farben. Ich schenkte den Kindern die letzten kasachischen Rachatbonbons (derselbe Name!) und Rachat ein Armband.
Wir konnten neben ider Jurte unsere Zelte aufschlagen. Vor dem Eindunkeln kamen die Männer nach Hause mit einer riesigen Schafherde. Rachats Mann war auf dem Pferd. Hunde kamen angesprungen und bellten, und die Kühe verschlug es auch nach Hause. Ein Riesenbetrieb. Die Schafe drängten sich alle 250-300 Stück in den runden Paddock und blieben bis morgen früh dicht aneinandergedrängt in diesem Kreisrund.
Wir wurden von den Männern noch begrüsst. Irgendwann rief mir Rachat zu, sie stand vor einem kleinen Zelt. Ich sprang hin. Im Zelt sass die Babuschka an einem sogenannten Separator, durch den sie die Milch liess, dabei drehte sie eine Kurbel. “Du musst Milch probieren!” David und Jurij wurden darauf auch noch gerufen.
Später, es war schon dunkel, lud man uns zum Abendessen in die Jurte ein. Wir zogen unsere Schuhe aus und setzten uns auf den dicken Teppich um den niederen Tisch herum. Auf dem Tisch stand eine Oellampe, eine grosse silberne Platte mit einem Schaf in mehreren Teilen und vielen Kartoffeln und Nan (Fladenbrot).
Die Babuschka war die Einzige, die russisch konnte, sie übersetzte immer hin und her. Ein Junge legte uns ganz viel Fleisch in die Schalen, viel Fett u.a., Magen und Leber. Die Leber war ganz in Ordnung, das Fett mussten wir meiden, das schmeckte uns nicht besonders. Da lagen noch ganz andere Teile auf der Platte, von denen wir aber keine bekamen zum Glück. Man isst hier mit den Händen. Die Babuschka rollte uns immer wieder ein paar Kartoffeln über den Tisch. Nach dem Essen gab es Chai. Bevor man das Mahl verlaesst, ist es ueblich das “Omin” zu sprechen. Man formt die beiden Haende zu einer Schale, als muesste man Wasser schoepfen, und faehrt damit leicht uebers Gesicht und sagt “Omin”. Diese Geste beobachtet man auch, wenn Leute im Auto oder Bus sich auf einen laengeren Weg begeben.
Früh gingen wir schlafen. Ich las noch ein Weilchen. Neben unserem Zelt graste das Pferd mit zusammengebundenen Beinen, und direkt vor unserem Zelteingang war ein braunes Schaf angebunden, das krankte und deshalb abseits stand, das Arme. Die Babuschka meinte, es werde uns bewachen oder wir es, je nachdem, und lachte.
Am nächsten Morgen bekamen wir Ajran und Tee. Ich gab der Babuschka etwas Geld, nicht wissend, ob man es machen muss, wie die Leute reagieren, Jurij meinte man könne und solle das ruhig machen. So setzten wir es auch fort bei anderen Familien.
Wir verabschiedeten uns, machten noch ein paar Familienfotos mit uns, die wir Jurij nun geschickt haben, damit er sie im nächsten Jahr der Familie vorbeibringen kann. Sie befinden sich wie bei uns auch Sommers immer am selben Platz, auf der Alm.
Wir gingen etwa eine halbe Stunde kaum, da holten uns ein paar Jungs von anderen Jurten ein und fragten, ob wir eine Fahrmöglichkeit brauchten. Wir bejahten und kamen zu deren Jailoo, wo ein alter vermutlich chinesischer Laster stand. Die Zündung funktionierte nicht, der Fahrer musste immer aussteigen und ankurbeln. David und ich konnten uns ins Führerhäuschen quetschen, der arme Jurij wurde im Laderaum durchgeschüttelt und durchgestaubt. Je weiter wir talabwärts fuhren, desto touristischer wurde es, das hätten wir ganz oben nie erwartet. Junge Touristinnen in Tops auf dem Pferd und hinten drauf strahlende Jungengesichter, mit den Zügeln in den Händen. Irgendwann sah man Blau. Niemals würde man dies für einen See halten. Die Küste ist sehr trocken, es riecht nach Rosmarin oder Thymian, und man hat einen anscheinend grenzenlosen Blick auf eine weite Wasserfläche. Nur wenn man ganz genau hinsieht, nimmt man durch den Dunst die feinen Umrisse des gegenüberliegenden Gebirgszuges war. Dazu riecht es salzig, der See ist zwar nur leicht salzhaltig. In Grigorievka wurde Jurij dann befreit mit ein paar anderen Mitfahrenden.
In Grigorievka hatten wir zunächst ein Geldproblem, da wir die Fahrer nicht in kirgisischen Som bezahlen konnten,  wir hatten nicht genug gewechselt, bzw. der Familie schon was bezahlt. Die Jungs hatten uns erzählt, dass man im Ort unten wechseln könne, das war aber eben nicht der Fall. So standen wir eine Weile herum, wussten nicht wie weiter. Jurij konnten wir genau in kasachischen Tenge entlöhnen, die Fahrrechnung blieb das einzige Problem. Jurij wollte nach Cholpon Ata, um von dort aus zurück nach Almaty zu kommen, wir wollten nach Karakol, doch wir mussten zusammenbleiben,da wir noch was bezahlen mussten, wechseln mussten. Wir fuhren auch nach Cholpon Ata kurzum. Jurij sprach sich mit einem Fahrer ab, der die Jungs gut kannte, gab ihm seinen Pass und, nachdem wir gewechselt hatten, das Geld für die Fahrt nach Grigorievka.

Erster Ort – Cholpon Ata 

In Cholpon Ata, dem Supertouristenort, ein kulureller Totalschock, hielt es uns nicht lange. Überall werden Zimmer vermietet “Sdaju komnatu” (Vermiete Zimmer), und man findet sich wieder am russischen Badestrand, wo ein gestreifter Esel und ein Kamel mit den Touris aufs gestellte Ferienfoto kommen. Der See selber ist Klasse, der Strand eher ein Ablöscher mit lauter russischer Billigmusik, die immer dieselbe ist.
Trotzdem wars ein lustiger Ort für Beobachtungen, aber lange hielt es uns dort nicht. Wir wohnten bei einer Frau namens Rosa, die uns auf der Strasse angesprochen hatte, als wir Jurij verabschiedeten. Sie wohnte zwar eher abgelegen, doch sie hatte eines der angenehmeren Cafés am Seeufer, in dem ihre Kinder mitarbeiten.
Mit dem Sohn verstanden wir uns sehr gut, unterhielten uns abends noch lange. Die Leute waren uns sehr sympathisch. Ich kaufte mir einen etwas ollen Bikini in grossmütterlichem Muster und etwas idiotischem Röckchen um die Badehose, aber was solls, das kann ja auch mal Spass machen. Die Russinnen hatten lange Tücher umgeschlungen, extra etwas unter der SChulter, damit auch diese Kurve schön betont ist, Strohhütchen auf dem Kopf und Tigerbikini am Körper, die Schuhe wennmöglich mit leichtem Absatz. Es gab dazu nicht selten Strandfotos. Die Stimmung erinnerte an einen vielleicht alten 70-er Jahre Prospekt “Exotisches Spanien” o.ä.
Leicht zu erraten, dass die Südseite des Sees fuer uns um Einiges eindrücklicher war.

Alma-Ata – Vater der Äpfel / 10. August 2006

Filed under: Von Petersburg nach Turkestan — sarah @ 5:53 pm

Nachdem wir das Gepäck einschliessen hatten lassen am prunkigen Bahnhof Almaty2, liefen wir in die Stadt, vom Bahnhof aus die erste lange fadengerade Strasse hoch, am Reiterdenkmal eines Khanen vorbei. Wir kamen auch am Zelenyj Rynok (Grüner Markt) vorbei und kauften einen Becher Brombeeren, sassen kurz im Panfilov Park vor der Kathedrale, die ohne einen einzigen Nagel erbaut worden sein soll. Die Moschee, unweit davon, ist ziemlich gross und ist badezimmerähnlich geplättelt an den Aussenwänden. Daneben hing eine grosses Werbeplakat für Pilgerreisen nach Mekka. Wir liefen bis zur Ulica Abaya, dort auf die Dostyk zur Seilbahnstation. Mit der Seilbahn fuhren wir auf den Hügel Koektube, von wo man, wäre es nicht dermassen dunstig Berge und die Stadt sehen könnte. Ein Touristengag. WIr hörten dort oben sogar den Gesängen einer japanischen spirituellen Vereinigung zu, die dort als jugendliche Reisegruppe mit Gitarre halt machte. Viel gab es dort oben nicht, einen sorgfältig drapierten Rasen, einen lauten Spielplatz mit Kinderanimationsmusik (einigermassen nervtötend), ein Café am äussersten Zipfel beim hohen Fernsehturm, wo wir uns einigermassen in Zürich fühlten.
Kurz, ein Ort den man gesehen haben kann aber nicht muss. Der Spass läge einzig in der Seilbahnfahrt, doch als Schweizer war das für uns wahrscheinlich kaum eines der höheren Gefühle ; ).
Auf der “Rückfahrt” bekamen wir Mitteilungen von Aleksandr, mit dem wir einige Tage zuvor Kontakt aufgenommen hatten, um bei ihm übernachten zu können. Er hatte auch vor uns noch die Umgebung zu zeigen in den Bergen und mit uns an den Issyk Kul mitzukommen.
Wir verabredeten uns vor der Russischen Botschaft, nahe seiner Arbeitsstelle. Mit dem Bus und zu Fuss kamen wir da etwas verspätet hin. Da er anscheinend mit seinem Rad stets rundherumgefahren war, verpassten wir ihn ein paar Mal. Als wir ihn dann schliesslich trafen, waren wir etwas überrascht, wenn nicht auch sofort irgendwie entäuscht. Ziemlich übel gelaunt war er und verzog keine Miene, nicht zu einem Lächeln, nichts. Wir entschuldigten uns für die Verspätung, doch auf das schien er auch nicht einzugehen. Wir fanden seinen Blick äusserst merkwürdig. Mir fiel auf, dass er wahnsinnig schlecht sehen musste, denn er hielt alles 8cm nah vor die Augen. Somit dachte ich zunächst sei seine irgendwie ungelenke Art erklaert.
Wir schlugen ein Café vor an der Ecke, worauf er meinte er hätte keinen Durst. Wir überredeten ihn dann doch. Dem Kellner gegenüber benahm er sich so unfreundlich und ungehobelt, dass es mir peinlich war. Jedenfalls bestellte er dann doch einen Liter Orangensaft.
Er stellte uns die ganze Zeit keine einzige Frage über uns, redete die ganze Zeit nur über die Routen an den Issyk Kul in Kirgistan. Dabei schien uns, dass er sich nicht wahnsinnig gut auskennt, sowas noch nie gemacht hat. Wir verstanden, dass er selber einfach unbedingt diese Wanderung machen wollte und wir die Gelegenheit dazu boten. Wir kannten allerdings selber weder Bedingungen noch die Wege. Auf Englisch ergaben sich immer wieder Missverständnisse, so dass er nur noch mit mir Russisch zu reden bereit war. Zwischendurch berieten David und ich, meinten einfach noch ein Weilchen abzuwarten. Bald aber entschieden wir, ihm gänzlich abzusagen. Es war nicht einfach zu erklären, offensichtlich fühlte er sich gekränkt. Es tat mir einerseits leid, dass wir ihm sagten, wir hätten kein Interesse mit ihm zusammenzusein. Andererseits muessen wir nicht jedem vertrauen, schon gar nicht, wenn die Person so unangenehm wirkt. Ich bin in vielen Fällen dafür, dass Gute in einer Person hochzuhalten und sie nicht einseitig zu bewerten, doch bei einem Unbekannten krampfhaft danach zu suchen macht wohl wenig Sinn. Es ist oft wahr, dass man sich in der ersten Sekunde für oder gegen einen Menschen entscheidet. Das Dagegenentscheiden kommt so häufiger vor und ist schwieriger zu aendern.
Somit standen wir wieder alleine im Dunkeln sozusagen um 21h abends, auf einer verkehrsreichen Strasse und suchten von vorne Unterkunft und den Weg nach Issyk Kul.
Wir fanden beim Bahnhof ein einigermassen günstiges Hotel “Tranzit”, Almaty wartet in der Regel eher mit Wucherpreisen auf, günstige Unterkunft ist dummerweise schwierig zu finden.
Ich war todmüde und schlief nach nur drei Augenblicken ein.

Ein nettes Treffen 

Am nächsten Tag gings mir morgens nicht so wahnsinnig gut, und ich blieb im Zimmer für ein paar Stunden, während David in einem Café mit WI-FI (Davids Glück ; ) ) arbeitete. Etwas später holte ich ihn dort ab, und wir machten uns auf die SUche nach einer Reiseagentur Asia Tours, die Touren anbietet. Als wir an der besagten Adresse waren, standen dort nur ein paar Melonen- und Gemüsestände herum. Es war nichts zu sehen von einem Büro.
Aus dem Haus an der Ecke, wo wir das Büro vermutet hatten, kamen zwei Männer mit kleinen Abfallsäcken auf die Strasse. Einer von ihnen wandte sich sofort an uns mit feiner Stimme “Oh, are you lost? Can I help you?” So lernten wir wohl einen der liebenswürdigsten Menschen in Kasachstan, Jerkin, kennen. Wir sagten ihm, wir suchten Asia Tours, worauf er affektiert in die Hände klatschte “You are already the fifth person, asking for that travel agency!” Er wandte sich an mich, gleich wie er es mit einem Kind getan hätte, und fragte mit mitleidvoll klingender Stimme “Oh, are you Spanish?”, worauf ich lachend zuerst gar nicht antworten konnte. Er bat uns ins Büro rein, sein Kollege meinte, er gehe schon mal. Jerkin begann rumzutelefonieren, Leuten, die er kannte. Das dauerte eine ganze Weile. Eine junge Mitrarbeiterin, die das Büro schliessen musste, wartete langsam ungeduldig. Die Telefonate gingen lang. Sie meinte lächelnd, dass es immer dasselbe mit Jerkin sei. Jerkin legte auf “My god, that man was sooooo talkactive!!”
Er hatte eine Adresse noch aufgeschrieben für und, dann fuhren wir mit ihm zusammen im Bus noch zurück. Er meinte, er gehe noch mit einer Kollegin ein Bier trinken, wir könnten doch auch gleich noch mitkommen. Das wollten wir gerne und lernten so seine Kollegin Seda, die er selber auch erst seit Kurzem kennt kennen. Jerkin arbeitet für eine Firma, die Dokumentarfilme vertreibt oder ähnlich. Ganz genau hat er es nicht erklärt. Er selber ist von Beruf Zahnarzt und war längere Zeit in Afrika, in Kenia und Nigeria. Er spricht sehr gut englisch und französisch. Ich habe ihn grad ins Herz geschlossen mit seiner feinen, sanften Art und dem verschmitzten Schalk in den Augen. Sein T-Shirt hatte auch einen Schriftaufdruck, der etwa so lautete: Show me your hands wide open and soft .. o.ä.
Am kleinen Finger trug er einen Ring in Form eines Elefanten. “Please, try once Shubat, it is very soft camel milk. Very tasty and veeeeeery healthy!” Das schrieb er extra noch auf ein Zettelchen: “Shubat – soft camel milk”.
Er stellte sich als ein Liebhaber von französischer Sprache, Szeneclubs, Klatsch und Tratsch heraus, was er ein paar Mal ironisch erwähnte. Ich unterhielt mich lange auch mit Seda, wobei ich glaub ich furchtbar viel redete und fragte. Jerkin erzählte uns von seinem Freund Vitalij, einem armtätowierten Russen, von seiner Familie, die Vitalij wie einen weiteren Sohn aufgenommen habe, über kasachische Familien. Familien leben  schon noch eher konservativ, meinte er.
Auf dem Rückweg schenkte uns Jerkin noch einen Kebab auf dem Food Market. Ich kaufte mir ein kirgisisches Tan, das so käsig ist, dass es  ein Eigenleben zu haben scheint.
Ich konnte es letztendlich nicht trinken. Wir verabschiedeten uns von den beiden, dankten Jerkin tausendmal für seine fürsorgliche Hilfe. Ich war fast ein bisschen traurig Adieu sagen zu müssen. Auf dem Weg ins Hotel trafen wir einen Deutschen, der nach Tadschikistan aufbrechen wollte, Individualreisender. Danach liefen uns noch zwei junge, ebenfalls Deutsche, Bürschchen mit blond gelocktem Haar und Fistelstimmchen über den Weg. Sie fragten zuerst in gut zurechtgelegtem Russisch, wo es zum ZUM (EInkaufszentrum) gehe. Sie suchten ein Internetcafé. Sie waren am selben Tag von China gekommen. Die beiden erinnerten mich an Kobi und Bobby aus dem “Besuch der alten Dame”. Mit ihren feinen Stimmchen antworteten sie immer im Chor und glichen sich aufs Haar.

Der Sharyn Canyon

Am folgenden Tag suchten wir lange wieder, zu Fuss unterwegs, eine Agentur. Es war Samstag. Wir konnten aber Schlafmatten und faltbares Reisebesteck besorgen. An der Ulica Abylachana befindet sich ein Govinda Restaurant der Hare Krishnas, leider war das im Umbau. Schade. Wir waren so müde.
Wir fanden ein teures usbekisches Restaurant, wo wir das Essen zwar nach dem Preis aussuchen mussten, das Restaurant aber ganz schön war. Die Kellner korrespondierten per Funk.
Ein Internetcafé befindet sich ziemlich weit draussen. Nach diesem Ausflug waren wir endgültig todmüde. Wir planten übers Wochenende in den Sharyn Canyon zu fahren.
Wir dachten, wir wären zeitig dran, erwischten letztendlich doch keinen Bus mehr, da wir noch einkaufen mussten und zum Busbahnhof liefen. Ein adretter Mann in hellblauem Hemd und schwarzer Bundfaltenhose sprach uns sofort an und fragte, wohin wir müssen. Er sagte, wir wären zu spät für den Bus, wir könnten aber einen Fahrer bekommen. David war sehr misstrauisch, wir fragten an der Kasse nochmals nach, aber es gab tatsächlich keine Busse nach 10 Uhr. Der Mann sprach sich mit einem älteren Fahrer ab, er meinte zuerst 100 US Dollars an den Sharyn. Das war uns zu teuer. WIr konnten uns auf 50 einigen (5000 Tenge), das war ok. Der Fahrer hätte uns auch noch zurückfahren können, auf uns warten am Canyon, doch das wollten wir vorerst mal noch nicht. Die Fahrt dauerte dreieinhalb Stunden. Wir fuhren in einem roten Kistchen, mit Teppichen ausgelegt, samtüberzogenem Mittelfach und knallrotem Steuerrad. Unterwegs legten wir einen Halt ein, der Fahrer ging etwas essen, ich kaufte zwei grosse Kuruts, salzige Käsebälle.
Wir fuhren durch Dörfchen mit vielen Markt- und Strassenständen. Melonen links und rechts, Eselgespanne, Eselchen im Galopp, Leute mit chinesischen Handwagen, Autowerkstätten, die sich Vulkanizacija nennen.
Der Fahrer bot uns an, vor elf Uhr am nächsten Morgen  mit uns zurückzufahren. Wir wollten uns allerdings noch nicht festlegen, wir waren ja noch nicht mal angekommen.
Zuerst fuhren wir an einen Wegrand mit einem Schild des Canyons. Der Weg verlor sich im weiten Steppenhorizont. Er könne uns hier rauslassen, weit sei es aber, sehr weit, meinte der Fahrer. Er schlug uns vor weiterzufahren und uns auf der anderen Seite des Canyon rauszulassen. Wir fuhren dorthin, verabschiedeten uns aber vom Fahrer, entschlossen die Rückfahrt von Neuem dann zu organisieren.
Unten im Canyon fliesst in mattblauer Farbe der Sharyn, der sich in Millionen Jahren tief in die Erde reingefressen hat. Die Felsen sind rötlich und im Abendlicht feurig.
Unser Zelt schlugen wir weiter gegen das Talinnere auf, badeten im kalten Wasser, bzw. lagen ins seichte Wasser rein und mussten uns festhalten.
Abends gingen wir auf die Felsen hoch. Unser Wasser ging zur Neige, und wir wussten nicht ganz, woher der Fluss genau kommt, ob man das Wasser trinken kann oder nicht. Es sollte sehr heiss werden am nächsten Tag, wir wollten wandern, wir brauchten Wasser. Ich habe üblicherweise schneller Probleme als David, was Essen und Trinken anbelangt. Öfters hatte ich schon mal Bauchweh, daher verbot mir David aus dem Fluss zu trinken.
Um 7 Uhr standen wir auf, die Sonne brannte bereits auf unser kleines grünes Zelt. Wir liefen den Steinweg hoch,der zu ein paar kleinen Häuschen mit Hof führte, doch das Ganze schien gerade verlassen, und Wasser bekam man keines. Entlang der Nationalstrasse gingen wir zur Brücke runter, wo ein Parkplatz war. Wir dachten, am besten von dort einen Bus erwischen oder ein Auto, um die paar Km zurück zum Schild zu fahren und von dort aus in die andere Seite des Canyon zu gehen.
Etwas unsicher waren wir, da es schon heiss wurde und wir durstig. Ein paar Leute auf dem Parkplatz wollten von uns auch wissen, wie weit es etwa zu Fuss ins andere Ende des Canyons rüber wäre. Ich sagte, wir wüssten es genausowenig und hätten dazu noch ein Wasserproblem. Der Mann meinte sofort “Kein Wasser? Wir geben euch selbverständlich etwas,” und wies einen Kollegen an uns eine grosse Flasche Orangenlimonade zu geben. Wir wussten nicht, wie danken. Solche Dinge sind doch schon schön. Sie hätten einfach sagen können, trinkt doch aus dem Fluss.
Wir liefen beruhigt weiter der Strasse entlang und versuchten etwas anzuhalten. Irgendwann hielt ein alter chinesischer Bus, überfüllt eigentlich, aber irgendwie passten auch wir noch rein. An den hellblauen Wänden hingen noch chinesische Kalender, alle Leute waren im Dämmerschlaf.
Der Fahrer liess uns dann bei der besagten Wegabzeigung raus.
Der Weg zog sich und zog sich und zog sich. Es war heiss, ging schon gegen Mittag zu, die Erde flimmerte. Feld- oder Wüstenmäuse huschten über die Strasse oder sammelten in einem riesen Stress kleine Zweige. Überlebensstress in der Steppe, die Tierchen waren lustig zu beobachten. Survival of the fittest, musste an das Vieh mit dem Nüsschen aus “Ice Age” denken.
Manchmal wirbelte eine kleine Sandwindhose über den Weg. Irgendwann erschienen weit weg zwei leuchtblaue Punkte – das Inspektorhäuschen mit Barriere und das Plumpsklo. Viele Leute fahren mit Jeeps an den Canyon und bezahlen Eintritt. Der Naturschutzaufseher und seine Frau sassen im Hüttchen. Der Mann fragte, warum wir zu Fuss kämen. Er sagte, wir hätten es nicht mehr weit bis zum Fluss runter, und wir könnten bald im Café Tee trinken, sie seien dort etwa ab 17h. Das Wasser sei sehr sauber, man könne es ohne Probleme aus dem Fluss trinken. Er verlangte von uns keinen Eintritt, wir hätten den auch so verdient.
Noch eine Stunde liefen wir, vor uns tat sich ein noch viel eindrücklicherer feuerroter Canyon auf mit hohen Türmen und mustervollen Auswaschungen – Dolina zamkov, Canyon  of Castles.
Von oben herab sah man die kleine oasengleiche Stelle inmitten der roten Trockenheit, an der wir später sitzen sollten. Wir beschlossen eine Nacht dort zu bleiben, da wir auch schon zu vorgerückter Stunde ankamen. Zwei Jurten standen etwas abseits am Fluss. Die eine war die Wohnjurte des Paares, das andere die Küchenjurte, wo ein junger schwarzer Hund angebunden war und ein riesen Durcheinander veranstaltet hatte.
Davor war eine grosse überdachte hölzerne Tribüne. Ganze Familiensippen waren am Nachmittag am Fluss und badeten. Baden war an der Stelle besser möglich. Das Wasser war angenehm kalt. Engländer waren auch dort und packten ihr Lunchpaket aus, das sie vom Veranstalter offensichtlich bekommen hatten.
Irgendwann hatte ich dermassen Durst, dass ich das Wasser aus dem Sharyn gerne trank. Gegen späteren Nachmittag verschwanden die anderen Leute, wir schienen die einzigen zu sein im Talboden unten.
Um 18h gingen wir zur Jurte hin. Die Frau war schon dort mit einem zweiten Hund, der mit seinem roten buschigen Schwanz von Weitem wie ein Fuchs aussah. Der kleine schwarze Hund war wieder ganz glücklich und sprang wild herum.
Ich fragte, ob wir Tee bekommen könnten und was zu essen. Sie hätte Tee aber leider nichts zu essen. Viel zu essen hatten wir auch nicht mehr, wir hatten mehr Hunger gehabt als gedacht. Wir setzten uns ans Ende der grossen hölzernen Tribüne. Die Frau war ziemlich still und schüchtern und brachte zuerst ein geblümtes Plastiktischtuch, das sie extra noch abwischte. Der Tee kam als Konzentrat (Zavarka), und wir konnten aus einem heissen Wasserkessel heisses Wasser dazufügen, so dass wir endlos viel Tee hatten, den  wir literweise mit Milchpulver tranken. Wir bestellten sogar noch eine Kanne. Zum Tee bekamen wir fritierte Brötchen, die auf einer steinharten Lepjoshka lagen, die wir uns aber nicht zu essen trauten, da wir nicht wussten, ob das ein faux Pas wäre.
Der Mann kam etwas später und bot uns Instantsuppe (Lapscha) an. Wir konnten in der Nähe zwischen den Sträuchern unser Zelt aufstellen. Am nächsten Morgen erwachte ich sehr früh wegen eines quakenden Frosches vor unserem Zelt. Abundzu kamen auch die Hunde vorbei und guckten, ob wir schon wach waren. Sie waren ziemlich spielfreudig.
Die Türe der Wohnjurte stand bereits offen. Wir waren mit der Dunkelheit schlafen gegangen, daher erwacht man natürlich auch sehr früh.
Um kurz nach sieben gingen wir zum Ehepaar einen Tee trinken, bezahlten dann alles und wollten uns verabschieden. Der Mann schlug uns vor gegen  Mittag mit jemandem vom Zollhäuschen aus mitzufahren, es kämen sicher bald ein paar Touristen, so dass wir nicht zu Fuss retour müssten. So liefen wir etwas später hoch, trafen im Tal noch einen überaus gesprächigen russischen “Gid” , der erklärte wie ungeschickt die Leute seien, die einen Jeep oben steckenbleiben haben. Langsam müsse man doch fahren, damit die Räder nicht spulen. Er machte eine Skizze in den Sand. Wahrscheinlich war das der Jeep, mit dem wir mitsollten.
Der Mann gab uns die schwarze kasachische Rachat Schokolade zu probieren, als Beweis, dass diese es mit unserer aufnehmen könne. Dann schwärmte er von der Via Mala Schlucht, wo er unbedingt mal hinwolle. David fragte ihn, ob er interessiert sei oder jemanden kenne, um mit uns an den Issyk Kul zu wandern. Er gab uns die Visitenkarte seines Vorgesetzen mit seiner Telefonnummer, so dass wir ihn abends anrufen konnten. Darin lag unser ganzes Glück, und die Geschehnisse reihten sich nahtlos aneinander.
Bald sassen wir vor dem Zollhäuschen und plauderten mit dem Nationalparkinspektor, einem lustigen etwas untersetzten Mann, der uns ein paar kasachische Buchstaben in der Kirillica erklärte, wobei er auf der Nationalparktafel mit dem Kugelschreiber wie ein Lehrer an der Schrift herumkorrigierte und Pünktchen einzeichnete. So war das Warten auf den Jeep kurzweilig. Ein etwas halbstarker Russe kam mit dem Jeep angefahren, dessen Freundin der Jeep gehörte, die aber bereits in die Stadt zurückgefahren war. Es war nett, er fuhr  nach Hause und nahm uns einfach so in die Stadt mit.

“I minä Schue fähle d’Sole, i mine Hosä wähit de Wind” (Züri West)

Filed under: Von Petersburg nach Turkestan — sarah @ 5:51 pm

Jetzt sind  wir schon eine Weile unterwegs, und es scheint so, als gäbe es  nichts Anderes als weiter- und weiterzureisen, und seis an den Rand der Welt und sitzend die Beine über ihm baumeln zu lassen. In den Kleidern weht der Herbstwind von Bishkek, und eine leichte Melancholie könnte sich fast breit machen, wenn ich “Radio zum Glück” höre und mich schon meilenweit vorausdenke. Wir sitzen in dem japanischen Guesthouse Sakura und reden und hören zu, den sich wiederholenden Geschichten, die alle dieselben sind und doch verschieden, über Einreisen, Ausreisen, Pässe und Strassen, Botschaften, Märkte, Leute und so fort.
Wir klauen Bücher aus Cafés, die man nach einer Woche zurückgeben müsste, doch was interessiert das einen Leser von “Krieg und Frieden” ?!
Heute auf dem Osh Bazar sahen wir alte goldene Rasierer mit den alten Klingen, fast schon Sammelstücke. Durch den Kleidermarkt wurde ein grosser unförmiger Klumpen Fleisch gekarrt. Der Gemüsemarkt sprengte jede Farbenskala, die Gewürze wehte es durch die stickige Luft. Karotten, dick wie kurze Raketen, waren überall in Säcken zu haben. Konzentrierter Käsegeruch von Kurut, den Käsebällchen, lag schwer unter einem von einer Plane abgedeckten Platz.
Wir sind hier seit nun vier Tagen. David beantragt hier zwei Visa, jeweils für China und Pakistan. Diese Zeit nutze ich an seinem Laptop im Café Metro, das grad noch gähnend leer ist. Still ist es dafür, der Verkehr rauscht gleichmässig am Fenster vorbei. Der Himmel ist heute milchig trüb. Ein bisschen bedrückt bin ich selber, da ich den Eindruck habe, als wäre das unsere letzte Station – Bishkek, David bereitet sich auf die Weiter- und ich auf die Heimreise vor, beide suchen sich Flüge in verschiedene Richtungen.Doch wir fahren doch noch nach Usbekistan, und ich vergesse das hier mit diesen ganzen Reiseangelegenheiten wieder fast. Danach sehen wir uns erneut leider ein halbes Jahr nicht. Verflixte moderne Zeiten. Vermutlich hat das aber nichts mit unserer Zeit zu tun, vermutlich ist das die alte Geschichte von Leuten, die gerne unterwegs sind.
Ich habe viel zu berichten heute, da war Alma-Ata (Almaty), das Chong Kemin Tal, der Aksu Pass, unsere Einreise nach Kirgistan, die ich bis jetzt nicht erwähnen konnte.
Neben einem Capuccino mit viel Schaum und vier Stück Zucker und einer Tafel schwarzer Schokolade versuche ich nun nochmals zurückzugehen…Bishkek, Kochgor, Song Köl, Kochgor, Bakanbayev, Tamga, Karakol, Dolina Cvetov, Karakol, Cholpon Ata, Grigorievka, Chong Aksu, Aksu, Chong Kemin,Alma-Ata.

August 26, 2006

Fahrt nach Almaty

Filed under: Von Petersburg nach Turkestan — sarah @ 3:28 pm

Es ist kurz nach Mittag. Wir fahren durch die kasachische Steppe. An Semey sind wir morgens vorbeigefahren. Es regnete bisher halbwegs und war angenehm kuehl im Wagon. Jetzt wird es heisser und stickiger. Es steigen auch immer mehr Leute zu. Ich frage mich, wo die alle schlafen moechten. Ein paar liegen schon zuoberst auf der Gepaeckablage, auf der dritten Etage sozusagen.Der Zug faehr langsam, schaukelnd, vielleicht 60km/h momentan. Ich lese und schreibe und unterhalte mich mit meiner Nachbarin, die sich mir als Karlegash vorstellte, einer Kasachin mit Handy am Handgelenk, das ist hier In. Gestern sind wir spaet abends an den Bahnhof gefahren mit dem Tram, es wirkte unheimlich an der Endhaltestelle, da keine Beleuchtung vorhanden ist und man sich an den Bhf tasten muss oder einfach den anderen Leuten dicht auf den Fersen nachgeht. Unser Provodnik, ein hoher Mann mit Schnauz, sprach uns stolz mit wenigen WOrten auf Deutsch an. Es hatte irgendwann ein paar Beamte im Zug, Zollbeamte, die mich wegen meiner runtergefallenen Jacke am Arm unsanft ruettelten “Ist das Ihre?” Ein paar Minuten spaeter fand der naechste zu meiner aufgehaengten Kopftaschenlampe “Und was ist das?” – “Eine Kopftaschenlampe?!”- “Stecken Sie die besser auch gleich unters Kissen, das Volk klaut wie verrueckt.” Es gab auch viel Hin-und Herlaufen im Wagon und Ein- und Aussteigen, doch es war alles in Ordnung mit unseren Mitreisenden. Die waren sogar ausgesprochen nett und mitteilsam bisher. Jedenfalls sind vorher zwei Kasachen ganz neugierig zu David gekommen und fragten ihn ueber sein Notebook aus, an dem er grad arbeitet. Fragen wie”Wahrscheinlich hat er Internet ueber Satellit da oben? (auf den Himmel deutend)” und Vorschlaege wie “Er sollte unbedingt ein Internet Cafe eroeffnen!” erheiterten das Gespraech. Meine Erklaerung war dann, dass Programmisten sowas wie Koeche seien, die sich ums Wesentliche kuemmern und den Rest wie Verwaltung den anderen ueberlassen. Dann erklaerte David Cyberduck (sein Programm – Werbung, Werbung 🙂 ),was ich irgendwie uebersetzte. Man schaute uns von allen Seiten mit Neugierde an. Etwas vorsichtig muessen wir nun sein, da jeder weiss, dass David ein interessantes Notebook dabei hat. Er muss es wohl ins Bett nehmen :). Die Steppe hoert nicht auf, und das ist ein Bruchteil des Landes. Es erinnert mich an eine Busfahrt von Madrid nach Mazzaron mit Nana, meiner Grossmutter, 1998. Die Gegend war aehnlich karg und flach, mit verlassenen Hoefen. Nana sagte, es erinnere sie an Kasachstan, das sie auf dem Weg nach Indien einmal ueberflogen hatte. Das was damals unter ihr lag, durchquere ich nun in ueber 24/stuendiger rhythmisch langsamer Zugfahrt, taram-taram, allerdings auf Umweg ueber die russische Grenze.Ich unterhalte mich mit meiner Nachbarin Karlegash, die mir von ihren Neffen erzaehlt, ihren Reisen nach Indien und in den Iran, glaub ich. Abends fahren wir an kleineren Ortschaften vorbei, die unweit vom Balkashsee liegen, dem zur Haelfte salzigen See. Die Sonne geht unter. Auf den Bahnsteigen verkaufen sie riesigen geraeucherten Fisch aus dem See, Kzmyz, Stutenmilch und Kurut, die trockenen Kaesekugeln. Wir sehen Leute auf Pferden, ein paar Haeuser mit Grasdach, ein paar Jurten, und dann – Kamele, liegend vor einer Huette zu dritt im Abendrot. Karlegash und eine andere Zuggefaehrtin boten uns Kymyz an in einer Piala (kl. Teeschale). Ich nahm einen zu mutigen Schluck und hatte Muehe das Husten zu unterdruecken, David guckte ermutigend. Es war irrsinnig sauer, mit Kohlensaeure durchsetzt. David fands auch nicht sehr geniessbar. (Es gibt aber genial guten frischen Kymyz, man sollte keinen auf der Zugfahrt kaufen, da er nicht frisch ist meistens und gepanscht.) Der Vollmond ging auf ueber der Steppe, es war still und um uns herum war nichts. Karlegash sagte, sie liebe die Steppe, sie sei dort aufgewachsen. Dort wuerden die Gedanken stroemen, weit, weit, weit, du kannst sie nicht fassen, sie fliegen dir davon. In den Bergen sammelst du sie, hast sie bei dir. In der Steppe erfuelle dich etwas ganz anderes. Das sei der Unterschied zwischen Bergland und Steppe.

An der Ul’ba

Filed under: Von Petersburg nach Turkestan — sarah @ 2:56 pm

Wir verbrachten die Tage an der Ul’ba, einem Fluss, entlang welchem wir unsere Lager aufstellten. Die ersten Tage waren wir bei einem kleinen Imkerhaeuschen, die anderen bei einer anderen Huette, die zu Fuss in zwei Stunden zu erreichen war. Wir badeten, assen Melone und badeten weiter. Sascha ging auch ins Wasser mit ihrer kleinen gelben Minischwimmweste, wenn auch unter heftigem Protestgeschrei :). Am Ende hoerte man jedenfalls froehliches Quietschen. David und ich lasen den Indienroman Shantaram, den er zuvor in zwei Haelften teilen musste mit meinem Sackmesser, da ich verzweifelt was zu lesen suchte und in  Oeskemen nichts mehr gefunden hatte. So liefen wir sozusagen mit Altem und Neuem Testament den Fluss auf- und abwaerts. Es gab viele Tiere in der Umgebung, Elche, Baeren, doch wir sahen sie nicht. Was wir staendig ueber uns hatten, waren grosse Greifvoegel. Einmal erlitten wir einen Angriff einer Muniherde, 13 Stueck. Sie waren schon am Vortag um uns rumgezogen, wir hatten sie da auch vertrieben. Doch sie kamen wieder und stampften so zml viel platt, frassen unser Essen aus den Pfannen und versauten unsere Rucksaecke. Die Vegetation erinnerte sehr an die SChweiz, so dass ich manchmal vergass in Kasachstan zu sein. Schoen war es unter dem Vordach auf der Holztribuene auf den weichen Decken Tee zu trinken und zu schauen, auf den gruengescheckten Wald zum Beispiel. Schlafen gingen wir immer frueh, denn irgendwann ging das Licht halt aus. Sterne hagelte es zu Tausenden herunter schien es, wir konnten die sternschnuppen kaum zaehlen. Noch oefter sahen wir Sputniki, Satelliten. Am vierten Tag liefen wir zum Lada zurueck und fuhren richtung Oeskemen zurueck.Wir fuhren an Hoefen vorbei mit hohen Heuhaufen, an Hirten auf Pferden, ehemaligen Kolchosen, teils verlassen, teils noch irgendwie in Betrieb, an Strassenstaenden, plaudernden Alten vor den einstoeckigen Haeuschen, Gemuesefrauen. Immer naeher kamen die Schornsteine der Vorstadt, dann waren wir wieder dort in Oeskemen. Es war eine gute Zeit mit Pascha und Sascha, wir konnten viel zu Kasachstan, v.a. dem Norden fragen und bekamen zum ersten Mal kasachische Konfety (Suessigkeiten, Bonbons), Schokolade zu probieren,  und das sackweise :). Die Firma heisst Rachat und befindet sich in Almaty, unsere naechste Stadt.

Beim Bienenmann

Filed under: Von Petersburg nach Turkestan — sarah @ 2:38 pm

Das alte Mannchen lud uns zum Tee in sein einstoeckiges Haus ein. Der Innenraum, aufgeteilt in Wohn- und Kuechenraum, war hell und einladend. Vor zwei alten eisernen Bettgestellen stand ein grosser Holzkasten, wo man die Bienenwaben reinhaengen kann. In der Ecke befand sich eine Zentrifuge, in welche die Waben hereingelegt werden, um den Honig rauszuschleudern. Vor dem Fenster stand ein quadratischer Tisch, ausgelegt mit gruenem frischen Dill, der stark roch. Die Zwischenfenster waren etwas mit Moos aufgefuellt, zur Isolierung. An den weissen Waenden hingen zwei Wandteppiche, auf dem einen war eine Darstellung des in teils Gebieten traditionellen Frauenraubes mit Pferd zu sehen. Pascha hatte Kekse mitgebracht, und wir tranken in der Kueche Kraeutertee. Auf dem Tisch stand ein grosses Glas Honig und eine Schuessel mit Wabenresten, d.h. Honig, der an Wachs klebt. Das solle man kauen, meinte der Mann, da seien noch gesunde Pollen (pl’ca) dran. Man duerfe ihn aber nicht in den Tee ruehren, so verliere der Honig generell seine Kraft. Ich machte den Fehler und schluckte das ganze Honig- und Wachsknauel mit Muehe herunter, dabei konnte man den leeren Wachs wieder ausspucken.Der Mann lachte und meinte zu seinem Honig: “Meine Zellen sind alt und sterben nur noch ab, aber nur der Honig kann Zellen wieder aufbauen.” Er kaute auf dem Wachs herum, dabei schob sich sein dicker grauer Schnurrbart immer bis unter die Nase.Er erinnerte mich an ein Portrait eines Malers, der seinen eigenen Vater malte. Weisse Haare, ein Schnurrbart, dunkle faltige Haut und kristallblaue Augen und eine Muetze. War es vielleicht Dix? Ich muss nachsehen. Das Mannchen in seinen langen  Unterhosen, Gummigaloschen und Holzfaellerhemd kam mir nach wenigen Momenten schon so vertraut vor.Er lebe am 17.August schon vierzig Jahre hier oben, jeweils fuer acht Monate. In der Stadt lebe es sich nicht gut fuer ihn. Er haette dort einmal in den Spiegel geschaut und sein aschfahles Gesicht gesehen und begriffen, dass es fuer ihn nur die Berge gibt. Am 23. August werde er 73. Er vermisse lediglich seine Enkelchen, wovon er zehn habe.Selber habe er vier Kinder,die er mit seiner Imkerei etwas unterstuetze, so gut er koenne.Immerhin habe er vom Sommer her schon acht grosse Milcheimer verkaufen koennen zu 1200 Tenge (120.-).Er erklaerte, dass eine volle Wabe etwa vier bis fuenf Kilogramm schwer sei. In jedem Bienenkasten habe es etwa drei bis fuenf Waben. Ich fragte, ob er uns die Kasten zeigen wuerde. Sicherheitshalber gab er uns Imkerhuete und ein zusaetliches Hemd zum UEberziehen. So stapften wir durch seinen Garten und er erzaehlte zu seinen Bienen, seiner Lebenshingabe. An den Baeumen hingen kleine Holzdaecher, wo sich die Bienen, bevor sie losfliegen sich anscheinend versammeln. Ueberall von allen Richtungen surrte es. Pascha schenkte dem Mann eine Flasche Cognac, im Gegenzug erhielt er ein Kilo Honig. Ich glaube es war der beste Honig, den ich jeh hatte, und das ist wirklich wahr. Diesen Geschmack kannte ich zuvor nicht, den Geschmack des Altaj.  

Ladaferien

Filed under: Von Petersburg nach Turkestan — sarah @ 2:29 pm

Lada, das ist ein positives Wort einerseits, andererseits “das” russische Auto (nebst staedtischem Zhiguli). Ein kompakter kleiner Lada Niva, ein 4×4, stand zu unserer Reise zur Verfuegung. Pascha verspaetete sich um satte zwei Stunden, um “etwa 17Uhr” hatten wir im Office abgemacht, so dass es Diana schon unangenehm wurde. Als er gemuetlich reinkam, meinte er es sei alles bereit, wir muesste nur noch die kleine Sascha bei der Oma abholen. Der Kofferraum war voll, Pascha hatte einen immensen Rucksack und viel, viel Essen dabei. Diana fuhr noch mit bis nach Hause, dort kam uns ein kleines blondes Wesen in Unterhosen und T-Shirt entgegen und stieg auf den Beifahrersitz und begann wie ein Wasserfall zu reden – Sascha. Sascha ist drei und hat den Wortschatz einer Fuenfzigjaehrigen :).Grossmuetter haben ihren Einfluss :). Im Auto spielte sie immer die alte Marktfrau und pries mir unablaessig “gesunde Beeren und nur die besten frischesten Aepfel” an. Ich sagte zu Pascha, sie sei wie ein kleiner fixfertiger Mensch. Sascha guckte mich an und sagte “Ich wachse”. Bis jetzt ist nicht klar, ob das eine Rechtfertigung oder eine Drohung war :). Die Kleine war wie ein Radio, sie schlief ploetzlich mitten im Satz dann aber irgendwann ein. Pascha sagte am folgenden Abend, er schlafe bei Gutenachtgeschichtelesen stets ein. Wir fuhren am ersten Abend an weiten Sonnenblumenfeldern vorbei, einen schmalen schlechten Steinweg hoch und schlugen die erste Nacht die Zelte neben einem Fluesschen auf im hohen Gras. Schlafen gingen wir sehr frueh. Am naechsten Tag fuhren wir zeitig weiter und kamen nach etwa zwei Stunden zu ersten Haeuschen. Huehner gackerten nervoes dem Gock hinterher, der befehlerisch herumkraehte, Kaelber stolperten ueber den staubigen Weg. Pascha redete kurz mit einer aelteren Frau, die ihm von einer “Basika”, Basisstation (Holzhuette), erzaehlte. Wir fuhren noch etwas weiter danach und kamen zu einem kleinen umwucherten Hauschen hochgefahren, das von einem grossen Garten umsaeumt wurde, wo dreissig Bienenkasten standen. Wir stiegen aus, ich zog Sascha ihre kleinen trikolorfarbenen Schuhe an (siehe Titelbild!), und ein alter schnauzbaertiger Mann kam uns bereits entgegen.

In den Altaj

Filed under: Von Petersburg nach Turkestan — sarah @ 1:11 pm

Ziemlich schnell wollten wir herausfinden, wie wir am besten in den Altaj kommen. Wir wollten eigentlich an den Markakolsee, wohin wir aber ohne spezielle Genehmigung (propusk) nicht hindurften. Die Umgebung ist ein Naturreservat und liegt suedlich des Altajgebirges, welches dort die Grenze zu Russland, China und der Mongolei bildet. Da dies als heikles Grenzgebiet gilt, kommt man ohne offizielle Genehmigung, die man bei der Polizei einholen kann, nicht hin.
Viele Reiseanbieter fanden wir in der Stadt gar nicht mehr, so dass ich dann dem ein oder anderen zuerst kurz anrief, um nicht vergebens den Weg zu gehen.
Schliesslich landeten wir in einem modernen, schicken Reisebuero, wo uns eine russische Dame mit dunkelrotem schimmernd getoentem Haar freundlich empfing.
“Prisazhivaetes”, (Setzen Sie sich), seufzte sie laechelnd und schaute uns aufmerksam mit gefalteten Haenden an. Ich erklaerte unser Anliegen, dass wir gerne in die Berge wuerden fuer ein paar Tage, wandern, zelten und so weiter. Sie schlug uns das ‘Sanatorij’ vor beim Berg Belukha (4506m), ein Sanatorium, wo es Heilquellen gibt. Das Ganze entpuppte sich als etwas High-End Tourismus, naemlich teuer und auf Luxuserholung und Kur getrimmt, was ich, wie ich David sagte, gern nach der Pensionierung goennen wuerde, noch nicht jetzt aber. Die Genehmigung stellte auch noch ein Problem dar. Dort hinauf, waere es noch moeglich uns unbemerkt hochzuschmuggeln, doch an den Markakolsee gar nicht. Die Genehmigung beansprucht zehn Tage, so lange wollten wir nicht in Oeskemen bleiben natuerlich. Wir suchten nach Alternativen. Die Frau schlug ein dickes kleines Fotoalbum auf und blaetterte mit langen glitzernden Manicurefingernaegeln ein paar Seiten um. “Baza otdycha”, erklaerte sie (Erholungsort), “kleine Holzhauschen mit allem Comfort, die Gegend ist bezaubernd, man kann Beeren sammeln, auch reiten, fischen (aus dem Swimmingpool!), Ausfluege machen…”
Ich guckte David an, das war es eigentlich nicht, was wir wollten: Ausruhferien im kleinen Holzchalet. Dazu konnte ich mir das ueberhaupt nicht leisten. Die Dame meinte dann, was wir brauchten sei “aktivnyj turizm”, evt. Helfe uns ein anderes Unternehmen weiter und gab uns dessen Adresse. Wir dankten und sagten, wir ueberlegten es uns mit dem Sanatorium, obwohl ich mich eigentlich von der Idee schon verabschiedet hatte.
Es war siedend heiss, unterwegs gingen wir noch schnell in den seichten Fluss plantschen. Ich hatte da immer noch keine anstaendige Badehose, aber Unterwaesche tuts ja auch. Dann legten wir uns auf die schraegen Betonplaten, die den Fluss “kanalisieren” und sonnten uns mehr oder weniger trocken. “Weiterfahren, wenns nicht klappt? Oder sonst was auf eigene Faust unternehmen?” Schwierig, da in der Gegend nicht viel lief und wir sie nicht kannten. Wir kamen nur wegen des Altajs nach Oeskemen.
Gegen fuenf Uhr rafften wir uns auf und suchten das “Imperija turizma” auf, was wir dem Namen nach nicht sofort positiv beurteilten. Doch – Ueberraschung! Es war genau das, was wir von Anfang an brauchten: ein kleiner Laden mit Skiern, Camping- und Zeltausruestung, dahinter ein noch kleineres Buero. Die Frau, die uns ins Buero einlud, stellte sich als Diana vor. Sie war wie alle Mitarbeiter im Laden Russin. Als wir ihr unser Vorhaben eroeffneten, meinte sie, dass es ohne diese verflixte Bewilligung zml schwierig sei, sie aber unbedingt was fuer uns herausfinden moechte. Sie telefonierte hin und her. Die meisten “Gidy” waren selber grad unterwegs, und am naechsten Tag sollte unter dem Belukha ein Festival stattfinden, wo alle sich treffen wuerden. Dorthin koennten wir, meinte sie, mit ihr und anderen, man muesste uns da irgendwie hochschmuggeln. Nach einer Weile tauchten zwei aeltere Damen auf, die man ueberhaupt nicht mit Bergtourismus in Verbindung gebracht haette und nahmen an der beratenden Konferenz um die zwei “Shvejcarca” teil.
Diana meinte “Keine Sorge”, irgendwas finden wir ganz sicher fuer euch. Ich rufe jetzt mal meinem Mann an.”
So kam letztendlich nach zwei Stunden Lagebesprechung heraus, dass ihr Mann mit uns vier Tage in den suedwestlichen Auslaeufer des Altajs fahren koennte. Dabei sollte die kleine Tochter Sascha sein. Etwas spaeter kam Pascha ins Buero, ein braungebrannter schweigsamer Bergler, mit kritischen blauen Augen. Wir unterhielten uns eine Weile und fanden, dass vier Tage dort oben, Wandern von Basis zu Basis ganz toll waere. Wir konnten auch gleich am naechsten Tag losfahren, gegen Abend. So entschieden wir uns mit Pascha und Sascha in die “Bulanka” zu fahren, was die richtige Entscheidung war.
Einzig hatte ich zu der Zeit solche Magenbeschwerden, dass mir permanent leicht uebel war, un d am Abend konnte ich auch kaum was essen. Ich holte mir in der Apotheke ein Puelverchen, und das Grossmuetterchen schien mir unendlich dankbar, dass ich was kaufte und wuenschte mir gute Besserung. Ich hatte sie zwar eigentlich eher konsultieren wollen, um herauszufinden, wie sich die Symptome einer anbrechenden Gastritis aeussern, schliesslich beugt man besser vor J, doch das Puelverchen schien Wunder zu versprechen, und es war ein Produkt der Pharmaindustrie. Es wird schon alles gut warden, sagte ich mir, und so war es auch.

« Previous PageNext Page »