August 26, 2006

In den Altaj

Filed under: Von Petersburg nach Turkestan — sarah @ 1:11 pm

Ziemlich schnell wollten wir herausfinden, wie wir am besten in den Altaj kommen. Wir wollten eigentlich an den Markakolsee, wohin wir aber ohne spezielle Genehmigung (propusk) nicht hindurften. Die Umgebung ist ein Naturreservat und liegt suedlich des Altajgebirges, welches dort die Grenze zu Russland, China und der Mongolei bildet. Da dies als heikles Grenzgebiet gilt, kommt man ohne offizielle Genehmigung, die man bei der Polizei einholen kann, nicht hin.
Viele Reiseanbieter fanden wir in der Stadt gar nicht mehr, so dass ich dann dem ein oder anderen zuerst kurz anrief, um nicht vergebens den Weg zu gehen.
Schliesslich landeten wir in einem modernen, schicken Reisebuero, wo uns eine russische Dame mit dunkelrotem schimmernd getoentem Haar freundlich empfing.
“Prisazhivaetes”, (Setzen Sie sich), seufzte sie laechelnd und schaute uns aufmerksam mit gefalteten Haenden an. Ich erklaerte unser Anliegen, dass wir gerne in die Berge wuerden fuer ein paar Tage, wandern, zelten und so weiter. Sie schlug uns das ‘Sanatorij’ vor beim Berg Belukha (4506m), ein Sanatorium, wo es Heilquellen gibt. Das Ganze entpuppte sich als etwas High-End Tourismus, naemlich teuer und auf Luxuserholung und Kur getrimmt, was ich, wie ich David sagte, gern nach der Pensionierung goennen wuerde, noch nicht jetzt aber. Die Genehmigung stellte auch noch ein Problem dar. Dort hinauf, waere es noch moeglich uns unbemerkt hochzuschmuggeln, doch an den Markakolsee gar nicht. Die Genehmigung beansprucht zehn Tage, so lange wollten wir nicht in Oeskemen bleiben natuerlich. Wir suchten nach Alternativen. Die Frau schlug ein dickes kleines Fotoalbum auf und blaetterte mit langen glitzernden Manicurefingernaegeln ein paar Seiten um. “Baza otdycha”, erklaerte sie (Erholungsort), “kleine Holzhauschen mit allem Comfort, die Gegend ist bezaubernd, man kann Beeren sammeln, auch reiten, fischen (aus dem Swimmingpool!), Ausfluege machen…”
Ich guckte David an, das war es eigentlich nicht, was wir wollten: Ausruhferien im kleinen Holzchalet. Dazu konnte ich mir das ueberhaupt nicht leisten. Die Dame meinte dann, was wir brauchten sei “aktivnyj turizm”, evt. Helfe uns ein anderes Unternehmen weiter und gab uns dessen Adresse. Wir dankten und sagten, wir ueberlegten es uns mit dem Sanatorium, obwohl ich mich eigentlich von der Idee schon verabschiedet hatte.
Es war siedend heiss, unterwegs gingen wir noch schnell in den seichten Fluss plantschen. Ich hatte da immer noch keine anstaendige Badehose, aber Unterwaesche tuts ja auch. Dann legten wir uns auf die schraegen Betonplaten, die den Fluss “kanalisieren” und sonnten uns mehr oder weniger trocken. “Weiterfahren, wenns nicht klappt? Oder sonst was auf eigene Faust unternehmen?” Schwierig, da in der Gegend nicht viel lief und wir sie nicht kannten. Wir kamen nur wegen des Altajs nach Oeskemen.
Gegen fuenf Uhr rafften wir uns auf und suchten das “Imperija turizma” auf, was wir dem Namen nach nicht sofort positiv beurteilten. Doch – Ueberraschung! Es war genau das, was wir von Anfang an brauchten: ein kleiner Laden mit Skiern, Camping- und Zeltausruestung, dahinter ein noch kleineres Buero. Die Frau, die uns ins Buero einlud, stellte sich als Diana vor. Sie war wie alle Mitarbeiter im Laden Russin. Als wir ihr unser Vorhaben eroeffneten, meinte sie, dass es ohne diese verflixte Bewilligung zml schwierig sei, sie aber unbedingt was fuer uns herausfinden moechte. Sie telefonierte hin und her. Die meisten “Gidy” waren selber grad unterwegs, und am naechsten Tag sollte unter dem Belukha ein Festival stattfinden, wo alle sich treffen wuerden. Dorthin koennten wir, meinte sie, mit ihr und anderen, man muesste uns da irgendwie hochschmuggeln. Nach einer Weile tauchten zwei aeltere Damen auf, die man ueberhaupt nicht mit Bergtourismus in Verbindung gebracht haette und nahmen an der beratenden Konferenz um die zwei “Shvejcarca” teil.
Diana meinte “Keine Sorge”, irgendwas finden wir ganz sicher fuer euch. Ich rufe jetzt mal meinem Mann an.”
So kam letztendlich nach zwei Stunden Lagebesprechung heraus, dass ihr Mann mit uns vier Tage in den suedwestlichen Auslaeufer des Altajs fahren koennte. Dabei sollte die kleine Tochter Sascha sein. Etwas spaeter kam Pascha ins Buero, ein braungebrannter schweigsamer Bergler, mit kritischen blauen Augen. Wir unterhielten uns eine Weile und fanden, dass vier Tage dort oben, Wandern von Basis zu Basis ganz toll waere. Wir konnten auch gleich am naechsten Tag losfahren, gegen Abend. So entschieden wir uns mit Pascha und Sascha in die “Bulanka” zu fahren, was die richtige Entscheidung war.
Einzig hatte ich zu der Zeit solche Magenbeschwerden, dass mir permanent leicht uebel war, un d am Abend konnte ich auch kaum was essen. Ich holte mir in der Apotheke ein Puelverchen, und das Grossmuetterchen schien mir unendlich dankbar, dass ich was kaufte und wuenschte mir gute Besserung. Ich hatte sie zwar eigentlich eher konsultieren wollen, um herauszufinden, wie sich die Symptome einer anbrechenden Gastritis aeussern, schliesslich beugt man besser vor J, doch das Puelverchen schien Wunder zu versprechen, und es war ein Produkt der Pharmaindustrie. Es wird schon alles gut warden, sagte ich mir, und so war es auch.

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