Die Schneiderkatze
Eines schwuelen Abends auf den Andamaneninseln liefen wir bereits im Dunkeln die betongepfadete Strecke ins Inseldorf hinunter. Wir waren derzeit auf Long Island, einer kleineren, menschenleeren Insel. Das Dorf bestand aus notduerftig gebauten Huetten und Bretterverschlaegen. Zu gewissen Tageszeiten glich die Siedlung einer verlassenen Goldminenstadt. Dort, in dieser verlassenen Ortschaft, oeffneten sich jedenfalls die Fenster und Ladentueren erst, sobald es dunkelte. Erst dann erwachten die Buden zu Leben und knatterte aus Transistorradios der letzte Bollywoodhit.
An jenem Abend bedurfte ich eines Schneiders, um an meinem Lunhgi (Wickeltuch, ueblicherweise von Maennern getragen) einen Saum naehen zu lassen. Tatsaechlich fanden wir zwei Schneider im Dorf. Der Juengere hatte seinen Laden ziemlich voll, auch quoll es daraus an Stoffen nur so hervor. Der Aeltere hingegen stand in einem puppenstubenkleinen Lokaelchen. Seine lange weissgekleidete Gestalt wiegte sich langsam, waehrend er mit dem Buegeleisen einen dicken Stoff glaettete. Bei ihm spielte ein rotes Kaetzchen mit einem Fadenknaeuelchen auf dem Schneidertisch. Unter der Tischplatte schielte ein Hund hervor.
Wortlos trat der Schneider einen kleinen Schritt auf mich zu und begutachtete den Lunghi, indem er ihn in der Luft entfaltete. Kein Wort war noetig. Auch nicht meine kurze Begruessung und der Hinweis auf den ausgefransten Stoffrand, der sich immer weiter in den schwarzen Stoff frass.
Der Schneider stellte das Buegeleisen zur Seite, wedelte langsam mit der Hand, was dem Kaetzchen galt, das dem heissen aufgerichteten Dreieck zu nahe kam, und eine deutliche Sekunde lang strich die lange trockene Hand ueber das rote feine Fell. Der Schneider setzte sich behende an die alte Tretnaehmaschine und zog von irgendwoher einen fast unsichtbaren Faden hervor. Er suchte mit grossen Augen das Nadeloehr. Das Kaetzchen pfoetelte nun fein gegen den Finger des Schneiders und den Faden, dann drehte es auf der Naehmaschine eine Runde und sprang auf den Boden. Der Hund, der sich vor Langeweile den Kopf auf die Pfoten gelegt hatte, wachte schlagartig auf und schlich langsam dem Kaetzchen hinterher, das aus dem Laden beinelte. Der Schneider hielt gerade einen Moment inne, er hatte das Oehr gefunden und den Stoff nun unter die Nadel gezogen. Ich sah den Hund im heimlichen Anlauf auf die Katze, welche sich schon buckelte, als ganz unerwartet ein langer Bambusstock aus dem Fenster auf den Hund hinabschnellte, so zischend und knallend, dass dieser laut aufheulte und von der Katze wegsprang. Der Hund wurde einsilbig an seinen Platz verwiesen, und das Kaetzchen trabte siegreich zurueck und sprang wieder auf den Schneidertisch. Der Schneider trat aufs Pedal und der schwarze Stoff glitt durch Daumen und Zeigefinger. Das Kaetzchen beobachtete, sprungbereit. Der Schneider drehte den Oberkoerper zur Seite, streckte sich zu einem Faden und rollte ihn zwischen den Fingern zu einem Kuegelchen. Das Kuegelchen legte er auf die stoffige Unterflaeche und spickte es lautlos weg. Das Kaetzchen frohlockte mit kleiner Kralle. Der Schneider fuhr fort. Der plumpe Huempu seufzte, der Arme. Dies war nicht seine Geschichte. Am Ende des sanften Stoffes schnitt der pharaonenhafte Schneider mit langer Schere den Faden entzwei.
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