Gorod
Spaziergang – entlang den Rohbauten. Weisser Himmel über Schnee. Es ist die Zeit der Maslenica, Frühlingsfest, und in den Vogelnestern häuft sich der Schnee. Alles ist rauh. Die Luft, der Atem, die Haut und die körnigen Fassaden der Wohnblocks, die, ähnlich leeren Schachteln, an einer aufgelösten Strasse Spalier stehen. Sie sind da bloss und laden nicht ein, doch eine eigene, heimlichtuerische Geschäftigkeit herrscht hinter diesen Schmiergelpapierwänden. Kleine Holzhütten, aufgefüllt mit buntem Gemüse und Obst, säumen die Füsse der traurigen Giganten. Von dort drüben schaut ein düsterer Rohbau mit grossen schwarzen Augen herüber. Irgendwoher, wie ein neuer Wind, weht eine klassische Musik durch diese Welt und prallt von einer Wand an die andere und erreicht mich in kleinen Splittern. Unter meinen Füssen schwappt ein grauer nasser Schnee. Es dauert noch, bis der Frühling kommt. Resigniert wandern Leute zum Meerbusen, geschultert das Kreuz der Skier. Von weit höre ich ein Lachen. Unter langen Arkaden aus Beton spielt ein alter Mann Harmonika – und wie. Traurig schön.
Ich gehe und gehe. Die Welt wird für einen Augenblick weiss. Oben und unten ist es gleich. Der Stadthorizont teilt Himmel und Erde. Einssein mit dieser Stadt. Ich schliesse die Augen und sehe sie: ihre Gesichter, ihre Bewegung – in mir. Ich geh nicht durch die Stadt, ich geh durch mich, oder geht die Stadt durch mich? Winterbäumchen krümmen sich stiller Verneigung.
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