Nicht Schwarzmalen
Schwarzmalen muss man nicht. Ich sehe aber, beschoenigen soll man nicht. Hier gibt es viele Seiten, man entdeckt wie in allen Staedten sehr viel. Schrecken und Zauber liegen manchmal nicht weit auseinander. Man kann also seinen Blick nicht nur auf das “zauberhafte, verschneite Petersburg Gogol’s oder Puschkins wenden oder verliebt ueber die goldenen Kuppeln schwaermen, die Nase nur in die geniale Literatur stecken. Um die ewigen Probleme des Alltags kommt man nicht herum.Und es sind eben nicht einfach dieselben Probleme, die wir haben. Die Perspektiven sind hier nicht dieselben.
Petja hat z.B. gesagt, dass er kaum jmd kenne, der den Wunsch habe zu reisen. Er selber wuerde ganz gerne mal verreisen, doch es sei eigentlich kaum ein Thema. Viele nehmen die Gelegenheit wahr per Charterflug in die Tuerkei zu verreisen, was etwas vom guenstigsten ist. Will denn niemand von euch in den Osten reisen, fragte ich. Wenige, also er kenne niemanden, der so was mal gesagt haette. Es koste halt auch viel, daher vielleicht. Doch er faende es wichtig, dass man reise, wenn es irgendwie geht. – Dann kam Oleg herein in die Kueche, in seinem leuchtendgruenen Bademantel. Er mags ganz gerne abends etwas zu schwatzen und Tee zu trinken. “Nun, von was habt ihrs gerade?” – Vom Reisen.
“Ach herrje, man hat doch heute Fernsehen. Moechte ich die Schweiz sehen, zipp – voilà – meine Damen und Herren – die Schweiz.” Petja meinte, dass sei doch wohl nicht dasselbe. Oleg fand, Petersburg biete genug, die Ermitage: von Asien ueber Europa bis Amerika, man koenne dort alle Kunstwerke finden. Griechenland? – Bitte sehr, im griechischen Saal, dritte Tuere links.
Da ich nicht wusste, was ich da erwidern konnte, schwieg ich. Es ist nicht voellig unverstaendlich, was er sagt, denn die Mittel, um eine Reise zu unternehmen sind wirklich so gering, dass das ganze Geld schon fuers Verkehrsmittel draufgeht. Doch zugegeben, das Interesse ist auch gering. Ich weiss nicht, vielleicht ist es geringer geworden, vielleicht entspricht dieser Einstellung auch Resignation.
Ich glaube aber, dass die Traeume meiner Gleichaltrigen nicht diesselben sind, wie ich oder viele meiner Freunde sie in der Schweiz haben.
Fuer gewisse Frauen ist z.B. wichtig, einen Freund oder Mann mit Geld zu haben, und ich denke ehrlich gesagt gar nicht abschaetzig darueber, denn ich glaube hier kann das wirklich entscheidend fuers Leben sein. Bei uns ist das schon anruechig, hier siehts anders aus. Heiraten, gute Arbeit, Kinder, stabiles Leben, das sind so die Wuensche, wenn moeglich irgendwann mal ins Ausland in die Ferien. Im Umfeld, in dem ich jetzt bin, ist das so. Natuerlich ist das nur ein Ausschnitt, und, vielleicht ist dieses Bild von Stabilität auch oft eine Illusion. Es gibt Leute, die sehr reich sind, so, dass es wirklich auffaellt.
Lustig ist, wie die Maedchen, Oksana und Inna fragen: ist das in der Schweiz so? Wahrscheinlich zieht ihr Euch ganz anders an in der Schweiz, oder? Die Rede ist von den Frauen. Nun, eigentlich traegt man hier dasselbe wie bei uns, nur gibt es hier einheitlicheren Stil. Ich sehe wenige weibliche Punks oder Hippies oder Hip-Hopperinnen (oder wie man das richtig schreibt), etc. Die meisten Maedchen sind sehr damenhaft. Hohe Absaetze sind auch bei Eis, so scheint mir, ein “must”. Teils sind die Absaetze schlecht und biegen sich bis zu 45 Grad, aber egal 🙂 Hier besteht jedenfalls keine Angst vor “overdressed”, so, dass ich mir meistens reichlich underdressed vorkomme. In den Museen haengen in den Garderoben, auch in Theatern, grosse Spiegel, damit sich die Frauen nochmals schminken koennen.
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