Der erste Tag in Lahore
Was soll ich sagen? War ich überrascht? Ich kann es gar nicht mehr genau sagen, ich hielt mich einfach für den wohl glücklichsten Menschen. Ich war bei dem Menschen, der mir am liebsten ist, mit dem ich wohl überallhin reisen könnte, und in einer chaotischen mir noch rätselhaften Stadt. Am ersten Tag, vielleicht ist dies auch der Müdigkeit zuzuschreiben, ergriff mich immer wieder das Lachen. Wohin wir liefen, ich konnte fast nur Männer sehen, und die schauten sich weiss nicht was nach uns um. Ganze Gruppen in Bussen drehten synchron mit grossen weissen Augen, ihre Köpfe nach uns. Zeeshan, der uns am Flughafen abgeholt hatte, nahm uns zuerst zu sich nach Hause. David und ich standen auf dem Flachdach oben und schauten auf die dunstig staubigen Strassen runter, auf die vorbeipreschenden Motorbikefamilies (Papa, Kind, Mama, Kind). Zeeshan warf mir eine Amrood zu (Birnenförmig, wird oft zu Juice gepresst). Ich war zurück! Das war mein Gedanke dort oben. Zurück in der Welt. Mein Vater pflegte manchmal etwas nüchtern zu sagen “Welcome back to reality”, wenn ich aus Russland in die Schweiz zurückkam. Nur, was hat es denn mit Realität eigentlich auf sich? Gerade Russland entfaltete sich mir mit einer Art von “grausamer” Schönheit und altem tiefem Puls. Es war der erste Ort, an dem ich das Gefühl hatte in das kalte Wasser des Lebens geworfen zu werden. Die Schweiz schien mir ein Schlummerleben dagegen. Ethan Casey schreibt in seinem Buch “Alive and well in Pakistan” (hängt mich nicht zu sehr daran auf, es ist das einzige Buch, das ich zu Pakistan gelesen habe!): “… to know how artificial and stylized life is in suburban America, like a sitcom in endless reruns. (…) Once I had peirced the membrane and escaped, there was no going back.” Nicht weniger schien mir diese Luft dort Realität zu sein, nicht weniger kam ich mir als Teil von Geschehnissen vor, die wir dort mit Leuten in diesen drei Wochen teilen würden. Am Abend gingen wir Kleider kaufen, zuerst fanden David und Zeeshan sich je zwei Paar schöne Shalwar Kameez (Shalwar: pludderige Hose mit unbegrenzt weitem Bund, Kameez: langes Überkleid, bzw. Hemdbluse). Im Frauenkleidergeschäft sassen vier Verkäufer. Frauen arbeiten nicht in Geschäften. Einen Spiegel gab es nicht, David beriet mich farblich. Vom Schnitt sind alle Shalwar Kameez sehr ähnlich weit geschnitten. An der Ecke beim Anarkali gibt es einen Fruit Juice Stand mit Tischen und Stühlen, und alle schlürfen Juice. Quaya kachur (ungefähr) ist ein unübertrefflicher Dattelshake! Ab zwei Personen bekommt jeder noch ein kleineres Glas, damit man gegenseitig austauschen kann!! Herzig oder? Zeeshan hatte uns ein Hotel ausfindig gemacht, unweit von seiner Uni, wo wir zwei Tage blieben.
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