…und jetzt die Zentrifuge
Als wäre unsere Reise versandet…Aber nein! Ich habs nicht mehr durchgehalten, meinen vielleicht zu naturalistischen Reisebericht zu schreiben. Irgendwo, irgendwann wollte es nicht mehr so richtig. Deshalb sammle ich kurz alles Wichtige, stecks in die Zentrifuge und man kanns im Zeitraffer lesen.
Kokand: Medressas, die liebe Familie, die uns beherbergte
Tashkent: mehrere Stunden Fahrt, Grossstadt, Metro, teures Übernachten (für unsere Reiseverhältnisse), usbekisches Theater (Leb wohl Freundin), ein richtiges Moralstück, von Melonen überlaufender Bazaar, neue Gesichter, auch unter den Reisenden, neugierige penetrante Miliz
Samarkand: Registan, rote Mosaiktiger in einer der schönsten Abendröte, 1500 Som an einen Milizionären für eine Minaretterklimmung, anstelle von Essenlüsten Essensfrüste und ein ordentliches Bauchweh, Treibenlassen durch den grossen Bazaar, Bibi Khan Mausoleum, chinesische Frau von Amir Timur
Shakhrizabs: Kleiner Weiler, Geburtsort von Amir Timur, ruhig, heiss, mehrere Hochzeiten mit Trauergesichtern der Vermählten, was uns zu denken gab, wohnen bei einer 8köpfigen Familie mit Baptistenmutter und muslimischem Vater nach sowjetischem Gepräge, lustige Kinder, kleiner Welpe, der die nacht ohne seine verstorbene Mutter durchheulte, dass es mir das Herz hätte brechen können, altes Brot, Englischhausaufgaben der Tochter erledigen, bzw. “helfen”
Buchara: Wohnen in einem alten Bucharerhaus (200 Jahre alt), ein Traum, der uns lediglich den etwas anstrengenden Eigentümer Mubin Djon kostet ;), der aber im Grunde ganz lieb ist, Ex-Olympiatrainer in Leichtathletik, Kennenlernen von Nozima, einer Innendesignerin, die ihren Aufträgen in Buchara nachjagte und ihr Glück in Paris versuchen möchte, eine Person, die mir mit ihrer Wärme ans Herz gewachsen ist, Ausflüge in die Gegend, und Leute, Leute, Leute…
Khiva: Mit einem Paar, das wir in Bishkek getroffen hatten, fuhren wir weiter nach Khiva in einem Shared taxi, Fahrt durch die Wüste, Flussgrenze zu Turkmenistan, ein paar wenige Jurten, Fischessen mitten in der Wüste in kleinem verlorenen Lokal, Ankunft am Abend, weniger touristisch als angenommen, Kinder hingen an unseren Armen und wollten Fotos und Adresse, Lippenstift und Bonbons, Blick vom Minarett auf die Stadt, eine kleine Führung am nächsten Tag, Einblick in die Geschichte, Essen ist eine verzweifelte Angelegenheit, kaufen uns Mars und Twix und eine riesen Honigmelone auf dem Markt, bekomme Läuse, und es beisst Tage lang unerträglich, Fahrt nach Urgench an den Bahnhof.
Samarkand: Nachtzug nach Samarkand mit zwei älteren Herren: Volodja Kim, einem usbekischen Koreaner und einem älteren Usbeken, der schon bedrohlich viel Tee trank, Volodja bot uns von seinem zähen, fleischlosen Huhn an, der andere Mann bewirtete mit viel Tee, Ankunft um vier Uhr morgens, Vodka mit Tomaten für Volodja, Kaffee für uns, schlafen in der selben Herberge, Registan am Morgen, Besuch von kirgisischem Präsidenten Bakijev in seiner schwarzen Limousine, zurückgekämmtes graues Haar, den Ellbogen auf dem Fensterrahmen abgestützt, ein letzter langer Blick auf den Registan – und vorbei, die Springbrunnen versiegten nach fünf Minuten und die Autos durften wieder fahren.
Tashkent: Nahender Abschied, Wohnen privat bei einer Familie auf dem Teppichboden, riecht nach Ei, und von der Wand schauen die Ahnen, ziehen um in ein teures Hotel, treffen Nozima, gehen ins Ilkhom Theater, wo wir ein bezauberndes originelles Stück über die usbekischen Knabentänzer sahen, Warten auf Mittwoch und auch nicht.
Mittwoch, Tashkent: Wieder ein Flughafen, mehr ein Trennuns- denn ein Treffpunkt in meinem bisherigen Leben. Flug kurz nach sechs, nicht wissen, wie sich verabschieden so früh und so schnell. Gepäck scannen, Augen trocknen, sich zusammenreissen und trotzdem denken SCHEISSE. Was für ein Jahr, zugegeben. Eine Achmonateminusbeziehung mit einem vier Monateplusbonus mit 24hzusammensein, wie günstig und wie traurig manchmal. Aber irgendwie braucht jeder seine Fahrkarte, und das ist auch gut so. Ich hoffe, dass wir nächstes Jahr eine fürs ganze Jahr haben können, wenn das nicht zu teuer kommt. Die SBB hat mich hier schon wieder mit ihren tausend Angeboten, dass ich kaum zum Studieren komme, soviel bin ich am Rumrechnen : ).
Istanbul: 4Tage Stopp allein, mein Freund Emre liegt mir Lungenentzündung im Spital, schön an der Küste gelegen. Wohne bei seiner Cousine und deren Mann, habe eine gute Zeit, werde zwar krank und es beisst mich auf meinem Kopf, doch die Stadt tröstet mich mit ihrem salzigen Wind, mit ihrem guten Essen, ihren warmherzigen Augen und lenkt mich ab mit ihren Geschichten. Ich komme in Europa an, und die Schweiz ist nur noch ein Katzensprung entfernt, das Zuhause wird mir wieder vertrauter aus nächster Ferne.
Zürich: Als wäre ich kaum weg gewesen, ausser Wundern und wenig Staunen kein Kulturschock, werde abgeholt und das hiesige Leben hat mich in Teufelseile wieder. Ich flüchte mich nach Bern, um meinen Erinnerungen noch nachhängen zu dürfen, nicht 8Monate Schweizer Leben nachholen zu müssen, mein neues Zuhause, mein wirkliches, ich hoffe es, zu beziehen. Laut SBB Werbung: bei sich ankommen.
Ja, das wars. Die Reise.