Am Song Köl
Wir hatten Glück und fanden einen dritten Mitfahrer an den See, Francise aus Paris, der den sechzehnjährigen Azamat als Guide mitnahm. Unser Fahrer hiess Jussuf, ein älterer Mann mit langem Spitzbart und scheinbar noch drei Zähnen in seinem stets lachendem Mund. Er blieb die ganze Zeit mit uns am Song Köl oben und fuhr uns am Schluss wieder hinunter. Ich bin froh, dass wir ihn dabei hatten, er war so lieb und erklärte immer gerne, wenn man was zu fragen hatte. Die Fahrt an den See dauerte etwa drei Stunden. Die Landschaft war sehr anders als im Norden, nur mehr goldbraun und steinig. Unterwegs fiel Francise ein, dass er seine Kamerabatterie an den Strom hätte hängen müssen, in einer kleinen Siedlung legten wir drum einen kurzen Stopp ein. In einem Haus am Wegrand konnte er die Batterien laden. Zwei Mädchen waren mit einem Lastesel am Wegrand und luden Lehmziegel auf den Wagen. Ein Junge kam mit einer ganzen Pferdeherde vorbeigeritten. Der Song Köl ist ein sehr grosser See, rundherum verläuft das Land lange sehr flach, dann kommen die Berge. Am Ufer entlang sieht man schon von Weitem die weissen Punkte der Jurten und die schwarzen der Kühe und Pferde. Ein Kamel trottete uns sogar entegegen, doch das war entschieden the odd one out unter den Tieren und war etwas einsame Touristenattraktion. Wir fuhren zu einer Siedlung aus mehreren Jurten, wo wir mit Francise zu dritt eine Jurte teilten. Ajgül war die Frau, die mit ihrer Familie das Jurtenlager leitet, als Nebeneinkommen. Das ist der Sinn vom CBT, dass die Familien sich mit Gästen als Nebeneinkommen beschäftigen, so dass man als Besucher eben nicht in ein Hotel sondern in eine Familie geht und die Leute dort sich mit der traditionellen Arbeit beschäftigen können. Wir liefen am ersten Tag lange am See entlang, sahen weit bis zum Horizont und stiessen auf dem Rückweg auf einen Jungen und seinen Bruder, die dabei waren Fischernetze zusammenzulegen. Der Junge wollte unbedingt mit uns Fotos machen und wir liessen ihn knipsen. Seine Mutter kam irgendwann mit dem schwarzen Pferd und stellte sich als Genara vor. Der Junge sprang aufs Pferd und hetzte es in den See, und sie schwammen hinaus, hinaus, bis seine Mutter ihm böse was zuschrie. Anscheinend konnte er noch gar nicht richtig schwimmen. Der Befehl war eindeutig. Sie lud uns zu sich in die Jurte ein zu Khmyz. WIr kamen zu einer kleinen alten Jurte, hinter der sich die Babuschka mit Decken ausgebreitet hatte und mit einer alten Singer Nähmaschine auf dem Boden sass. Sie kam auch zu Khmyz in die Jurte, wo bereits der Dedushka sass mit kleinem grauen Spitzbart. Die Verständigung verlief fast nur noch über Gesten, aber es ging ja ganz gut. Die Khmyz kam direkt aus dem schwarzen Plastikeimer in die Pialas (henkellose Tassen). Sie war nicht mehr ganz so gut, wie wir sie im Chong Aksu bei der anderen Familie hatten, aber auch nicht schlecht. Nach einer Weile verabschiedeten wir uns von der Familie, nachdem das Omin gesprochen war, und liefen zurück. Wir blieben zwei Tage in dem Jurtenlager, schliefen in einer Jurte und assen in der anderen. Der Fahrer Jussuf war stets auch dabei. Es war abends früh dunkel und schnell sehr kalt, da wir sehr hoch oben waren (3016m ü. M.). Eindrücklich war es in den Bergen zu sein und doch solch eine Weite um sich herum zu sehen. Der See lag gross und weit vor uns und hinter uns weites Grasland bis zu den Bergen, wo Kühe und Pferde weideten. Am zweiten Tag gingen wir reiten. Ich verlangte ausdrücklich ruhige Pferde, da David noch nicht so oft auf dem Pferd gesessen hatte. Den Begleiter wollten wir nicht, da das zu teuer gewesen wäre, daher führte ich Davids Pferd von meinem Pferd aus am Strick. Das Problem war nur, dass mein Pferd viel langsamer war als seines, und wir fast nicht vorwärts kamen. Mein Wallach reagierte auf einen Fersendruck, geschweige denn auf einen Schenkeldruck, überhaupt nicht. So entschloss ich die Pferde zu tauschen. Davids Pferd verhielt sich an der Leine sehr gut, doch als Leitpferd hatte es merklich seinen eigenen Kopf. Ich musste kämpfen den mühsamen Racker auf der Spur zu halten. Wir zockelten so zwei bis drei Stunden durch die Gegend – kein wildes Reiterlebnis zugegeben, doch wie man sagt “Man hats mal gemacht.” Am folgenden Morgen fuhren wir wieder runter nach Kochgor, von wo aus wir mit dem Shared Taxi nach Bishkek fuhren, wo eine neue Episode unserer Reise begann.
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