July 22, 2006

Wolga, Wolga

Filed under: Von Petersburg nach Turkestan — sarah @ 4:42 pm

Kazan habe ich mir ganz anders, v.a. schöner vorgestellt. Was mir daran aber sehr gefällt ist die Gegend um den Markt, die kleinen Moscheen, die tatarische Sprache überall, das tatarische Essen (wobei nach einiger Zeit das auch alles etw. zu fleischig wird).
Wir wohnten etwas ausserhalb, im Sovjetskij Rajon, an der Strasse 8oe Marta (8. März = Internationaler Tag der Frau).
Asja, Volodjas Frau, war zuhause und empfing uns bereits morgens. Sie wohnen in einer Zweizimmerwhg mit zwei Katzen und einer Schildkröte.
Leider hatten wir keine Matten dabei, und das Schlafen auf dem Fussboden war ohne zu beschönigen steinhart.
Doch es tat am nächsten Morgen zum Glück nie was weh, immerhin.
Schwieriger war der etwas üble Teppichgeruch am Fussboden…. Mir war nie so ganz klar, wo die Katzen hinpinkeln, und als ich in tierliebem Enthusiasmus die Schildkröte auf das Teppichfreiland setze, pisste die doch prompt darauf.
Wir assen ein paar Mal in tatarischen Kantinen, was sehr günstig und v.a. gut war.
Auf dem Markt fanden wir auch noch ein paar Dinge, die wir gut brauchen konnten.
Am Samstag wollten wir nach Svjashsk, auf eine insel fahren mit dem Schiff, doch bereits morgens um 8 waren soviele Leute (laut David “blööödi Datschniki”) unterwegs, dass wir keine Billets mehr bekommen konnten. So fuhren wir nach Fahrplan halt um 9 einfach woanders hin, nämlich nach Kzyl Bajrak, einem verschlafenen tatarischen Volgadörfchen, wo wir auf weiter Ebene einen Muni, ein Pferd und zwei Leute sahen. Unten am Ufer konnte man baden, wenn man nicht heikel ist. Das Wasser ist ziemlich veralgt und lädt nicht besonders ein. Ich tauchte kurz bis zum Hals ein.
Zum ersten Mal im Leben kam ein Maulwurf auf uns zuspaziert, in blindem Gang zum Wasser hin. Er steckte seinen Rüssel rein, plumpste plötzlich ganz rein, begann wie wild zu kraulen und schwamm unerwartet in die weite Wolga hinaus.
Ich entschied mich zu spät ihm nachzuspringen, und quäle mich bis jetzt ehrlich gesagt mit schlechtem Gewissen und der Ungewissheit, ob er die 3Km mit seinem kräftigen Schwumm wohl überqueren konnte. Ach ja…das erinnert mich an die zahlreichen selbsterfundenen Maulwurfgeschichten, die mir früher mein Vater zu Einschlafen jeweils erfunden hat. Dabei handelte es sich aber immer um das Maulwurf Duo Bruno und Benno. Bruno war schlau und listig, Benno gutgläubig und tolpatschig und somit der blindere von beiden. Bruno musste oft ausrücken, um seines Freundes Leben zu retten.
Ich bin überzeugt, dass ich Benno getroffen habe, hoffe bis heute, dass Bruno seinen Freund da irgendwie rausziehen konnte.
Am Sonntag besorgten wir uns Weiterfahrkarten nach Ekaterinenburg, was kein Problem war. Nach der Station Aleksandrovsk, wo nur ein Schalter für eine ganze Meute offen war, bin ich mental vorbereitet auf Ticketkauf am Bhf.
Einzig eine alte Dame im obligaten Oma- Blümlikleid, eine der typischen “Kommandantinnen”, die die Leute immer eines besseren belehren wollen, das Schlangenstehen manipulieren und Staus und Streit verursachen (Aleksandrovsk!!!), indem sie in 5 versch. Schlangen anstehen und jedem vor sich sagen “Halten Sie bitte den Platz!”, musste etwas rumstürmen. Wenn 5 solcher Frauen, die David nur noch die “komplizierti Blüemlifroue” nennt, anstehen, geht das Chaos los. Ein Mann konnte aber geschickt dämmen “Was kommandieren Sie hier rum? Stehen Sie an und lassen Sie die Leute in Ruhe.” Recht hat er, denn alle wissen doch eigentlich, wie es geht.
Alptraum Aleksandrovsk wirkt nacht: kreischender, streitsüchtiger Weiberhaufen.
Am selben Tag gingen wir in einen Kleiderladen für Muslimische Mode, da ich etwas Angemessenes tragen möchte unterwegs, was nicht zu heiss gibt und schützt und in muslimischen Gegenden etwa so getragen wird, damit ich nicht ganz unvorbereitet, dh “komisch angezogen” daher komme. Die Tatarinnen im Laden waren ganz nett und eifrig mit Erklärungen und Tipps. David war fast etwas entäuscht, dass er als Mann nicht viel mehr als Hosen übers Knie braucht. Ich bin jetzt dagegen jedenfalls eingekleidet ; )
Am Montag fuhren Asja, Bulat, ein Freund von ihnen, David u. ich nach Bulgar, einen einstigen wichtigen Handelspunkt/Zentrum der Volgabulgaren, heute in Ruinen und rekonstruiert, nicht immer sorgfältig.
Ebene, Moscheen, alte Grabplatten mit bulgarischen bzw. arabischen Inschriften.
Heiss war es wie verrückt, kleine Höfe mit Hühnern und Gänsen schmückten das Bilderbuch.
Wir badeten in der Wolga, schwammen ein gutes Stück.
Das Ufer der Wolga ist dort auslaufend, die Wolga ist an der Stelle unglaublich breit.
Das Schiffahren auf dem “Meteor” dauerte etwa 3 Stunden.
Am Abend fuhren David und ich noch todmüde in die Stadt was essen.
Auf dem Rückweg hatten wir einen ungewöhnlichen “Autofang” ; )
Beim Einsteigen merkten wir, dass der Zhiguli rechts hinten absackte, worauf der Fahrer mit erhobenem Zeigefinger meinte :”Moment” und hinter dem Wagen verschwand. “Heimer öppä ä Platte?” – David.
“Tscht,tscht, tscht”, antwortete eine Fahrradpumpe vor dem Fenster. Wir stiegen aus, für 100 Rubel wollten wir schon ein “gepumptes” Auto nach Hause.
Ein anderer Fahrer bot uns gleich an, uns mitzunehmen, auch für 80.
Der andere wurde sauer und meinte, das sei nicht fair. Ich musste aber sagen, dass wir so nicht fahren möchten.
Dann fuhren wir heim und fielen schnell in den Schlaf.
Heute packten wir und fuhren dann mit dem Bus in die Nähe Bhf. Während der Fahrt flog eine Babuschka, auch eine Blüemlifrou mit ihrem beerengefüllten Wagen durch den Bus, da sie sich nicht festgehalten hatte. Wir sahen schon alle Beerenkübel zerschlagen und ausgeleert durch das Tram schleudern, doch irgendwo fand die Gute dann doch noch Halt zum Glück. Die kleine Enkelin mit dem Beereneimerchen meinte nur. “Babulja, du musst dich doch festhalten. Was machst du denn?”
Und voilà, jetzt sitzen wir im Zug nach Kazan, und ich schreibe sicher schon seit zwei Stunden. Die Zeit fliegt davon, es ist kurzweilig hier. Das Mädchen Syrah, gegenüber von mir war zwar sichtlich nicht müde zu kriegen, doch jetzt ist auch sie eingeschlafen. David hat sich auf s obere Bett verkrochen, und ich höre hier auch mal auf und schau bei ihm vorbei.

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